Der zweyte Theil dieſer Geſchichte iſt, was wir im engeren Verſtan-Vorbericht
des zweyten
Theils.
de Geſchichte nennen, und zwar der Schickſale der Kunſt unter
den Griechen, in Abſicht der aͤußeren Umſtaͤnde von Griechen-
land betrachtet, welche den groͤßten Einfluß in die Kunſt haben. Denn die
Wiſſenſchaften, ja die Weisheit ſelbſt, haͤngen von der Zeit und ihren Ver-
aͤnderungen ab, noch mehr aber die Kunſt, welche durch den Ueberfluß,
und vielmals durch die Eitelkeit, genaͤhret und unterhalten wird. Es war
Die Kunſt wurde von dem Daͤdalus an ſchon in den aͤlteſten Zeiten
geuͤbet, und von dieſes beruͤhmten Kuͤnſtlers Hand waren noch zu des
Pauſanias Zeiten Bildniſſe in Holz geſchnitzet uͤbrig, und er ſaget, daß
A.
Verzeichniß
der beruͤhmte-
ſten Kuͤnſtler
dieſer Zeit.ihr Anblick bey aller ihrer Unfoͤrmlichkeit etwas Goͤttliches gehabt habe 1).
Zu gleicher Zeit lebete Smilis 2), des Eucles Sohn, aus der Jnſel Ae-
gina, welcher eine Juno zu Argos, und eine andere zu Samos machte;
und vermuthlich iſt Skelmis beym Callimachus 3) eben derſelbe. Denn
er war einer der aͤlteſten Kuͤnſtler, und dieſer Dichter redet von einer hoͤl-
zernen Statue der Juno von ſeiner Hand: man wird alſo anſtatt Skel-
Vor dem Feldzuge des Xerxes wider die Griechen, waren folgende
Bildhauer beruͤhmt. Simon und 2) Anaxagoras, beyde von Aegina,
von deſſen Hand der Jupiter war, welchen die Griechen nach der Schlacht
bey Plateaͤa zu Elis ſetzeten. Onatas 3), ebenfalls von Aegina, welcher,
außer vielen andern Werken, diejenigen acht Helden, die ſich zum Looſe uͤber
den Kampf mit dem Hector angaben, zu Elis gearbeitet hatte. Dio-
nyſius von Rhegium 4), und Glaucus von Meſſene in Sicilien, wel-
che zur Zeit des Tyrannen zu Rhegium Anaxilas lebeten, das iſt, zwiſchen
der ein und ſiebenzigſten und ſechs und ſiebenzigſten Olympias 5): auf
einem Pferde des Dionyſius ſtand 6) auf deſſen Rippen die Jnſchrift.
Ariſtomedes und Socrates 7), deren Werk eine Cybele war, welche
Pindarus in ihrem Tempel zu Theben machen ließ. Mandaͤus 8), von
Paͤon, deſſen Victoria zu Elis war. Glaucias 9) von Aegina, welcher
den Koͤnig Hiero, auf einem Wagen ſtehend, zu Elis machete. End-
lich Eladas 10) von Argos, der Meiſter des Phidias.
Von dieſen Kuͤnſtlern wurden beſondere Schulen geſtiftet, und esB.
Der Schulen
der Kunſt.
a.
Zu Sicyon.
haben die beruͤhmteſten Schulen der Kunſt in Griechenland, zu Aegina,
Corinth, und zu Sicyon, dem Vaterlande der Werke der Kunſt 11), ein
großes Alterthum. Die letzte Schule iſt vielleicht von den beruͤhmten
Bildhauern Dipoenus und Scyllis, welche ſich in Sicyon niederließen,
geſtiftet, und ich habe kurz zuvor, einige von ihren Schuͤlern angegeben.
Ariſtocles 12), des Canachus Bruder, ein Bildhauer aus eben dieſer
Corinth war wegen der herrlichen Lage ſchon in den aͤlteſten Zeiten 5)
eine der maͤchtigſten Staͤdte in Griechenland, und dieſe Stadt wird daher
von den erſten Dichtern die Wohlhabende genennet. Cleanthes ſoll da-
ſelbſt der erſte geweſen ſeyn, welcher, außer dem bloßen Umriſſe einer Fi-
gur 6), einige Theile in derſelben andeutete. Strabo aber 7) redet ſchon
von Gemaͤlden des Cleanthes mit vielen Figuren, die noch zu ſeiner Zeit
uͤbrig waren. Cleophantus von Corinth kam mit dem Tarquinius
Wenn man auf das Alter der Aeginetiſchen Schule von dem beruͤhm-e.
Jn der Jnſel
Aegina.
ten Smilis, aus dieſer Jnſel, ſchließen duͤrfte, ſo wuͤrde ſie ihre Stiftung
von den Zeiten des Daͤdalus herfuͤhren. Daß ſich aber ſchon in ganz al-
ten Zeiten eine Schule der Kunſt in dieſer Jnſel angefangen habe, bezeu-
gen die Nachrichten von ſo vielen alten Statuen in Griechenland, im Aegi-
netiſchen Stile gearbeitet. Ein gewiſſer Aeginetiſcher Bildhauer iſt nicht
dem Namen nach, ſondern durch die Benennung des Aeginetiſchen Bilders
bekannt 2). Die Einwohner dieſer Jnſel, welche Dorier waren, trieben
großen Handel und Schiffarth, wodurch ſich die Kuͤnſte daſelbſt empor
brachten 3): Pauſanias 4) redet von der Schiffarth derſelben ſchon in den
aͤlteſten Zeiten, und ſie waren den Athenienſern zur See uͤberlegen 5), wel-
che ſo, wie jene, vor dem Perſiſchen Kriege nur Schiffe von funfzig Ru-
dern und ohne Verdeck hatten 6). Die Eiferſucht zwiſchen ihnen brach
endlich in einen Krieg aus 7), welcher beygelegt war, da Xerxes nach
Griechenland kam. Aegina, welche viel Antheil an dem Siege des The-
miſtocles uͤber die Perſer hatte, zog viele Vortheile aus demſelben: denn
die reiche Perſiſche Beute wurde dahin gebracht und verkauft, wodurch
dieſe Jnſel, wie Herodotus meldet 8), zu großem Reichthume gelangete.
Jn dieſem Flore erhielt ſich dieſe Jnſel bis zur acht nnd achtzigſten Olym-
pias, da die Einwohner von den Athenienſern, weil es jene mit den Lace-
daͤmoniern gehalten, verjaget wurden. Die Athenienſer beſetzten dieſe
Nach der funfzigſten Olympias kam eine betruͤbte Zeit fuͤr Griechen-
land: es wurde von verſchiedenen Tyrannen uͤberwaͤltiget, und dieſe Zeit
dauerte an ſiebenzig Jahre. Polycrates machte ſich Herr von Samos, Pi-
ſiſtratus von Athen, Cypſelus brachte die Herrſchaft von Corinth auf ſei-
a.
Jn Abſicht der
Verfaſſung.nen Sohn Periander, und hatte ſeine Macht durch Buͤndniſſe und Ver-
maͤhlungen mit andern Feinden der Freyheit ihres Vaterlandes zu Am-
bracia, Epidaurus und Lesbus befeſtiget. Melanchrus und Pittacus
waren Tyrannen zu Lesbus, und ganz Euboͤa war dem Timondas unter-
thaͤnig, und Lygdamis wurde durch des Piſiſtratus Beyſtand Herr von
Naxus. Die mehreſten aber von ihnen hatten nicht mit Gewalt oder ge-
waffneter Hand die Herrſchaft an ſich gebracht; ſondern ſie waren durch
Beredſamkeit zu ihrem Zwecke gelanget 2), und durch Herunterlaſſung ge-
gen das Volk hatten ſie ſich erhoben 3): ſie erkannten, wie Piſiſtratus 4),
die Geſetze ihrer Buͤrger auch uͤber ſich. Tyrann war auch ein Ehren-
wort 5). Ariſtodemus, der Tyrann von Megalopolis in Arcadien, erlan-
gete den Zunamen [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt] 6), eines rechtſchaffenen Mannes. Die Sta-
tuen der Sieger in den großen Spielen, mit welchen Elis auch ſchon vor
dem Flore der Kuͤnſte angefuͤllet war 7), ſtelleten ſo viel Vertheydiger der
Freyheit vor: die Tyrannen mußten dem Verdienſte das erkannte Recht
wiederfahren laſſen, und der Kuͤnſtler konnte zu allen Zeiten ſein Werk vor
den Augen des ganzen Volks aufſtellen.
Eine erhobene Arbeit von zwo Figuren, welche ſich in Engeland be-b.
Von den uͤbri-
gen aͤlteſten
Werken der
Kunſt aus die-
ſer Zeit.
findet 1), und einen jungen Sieger in den Spielen, mit Namen Mantho,
wie die Furchenweis gefuͤhrte Jnſchrift auf dieſem Stuͤcke anzeiget, und
einen ſitzenden Jupiter vorſtellet, muͤßte aus dieſer Zeit, aber vor der funf-
zigſten Olympias nicht gemacht ſeyn, weil man damals allererſt anfieng in
Marmor zu arbeiten, wie im erſten Theile gemeldet iſt. Es werden auch
damals wenig Marmorne Saͤulen in Griechenland geweſen ſeyn: die Saͤu-
len um einen Tempel der Diana auf dem Vorgebuͤrge Sunium waren zu
Themiſtocles Zeiten von einem weißen Steine 2). Aus einem Kupfer
aber kann man ſich nicht wagen, uͤber beſagte erhobene Arbeit zu urthei-
len. Ein vorgegebener Grabſtein des Spartaniſchen Dichters Alcman
aber 3), welcher in der dreyßigſten Olympias gebluͤhet, kann aus der
nicht verſtandenen und ſehr willkuͤhrlich erklaͤrten Ueberſchrift, bey wei-
ten nicht ſo alt ſeyn: dieſer Grabſtein befindet ſich in dem Hauſe Giuſti-
niani zu Venedig.
Die aͤlteſte uͤbrig gebliebene Muͤnze in Gold, wie man glaubt, von
Cyrene in Africa, wuͤrde nach der Auslegung derſelben ebenfalls aus die-
ſer Zeit ſeyn 4). Demonax von Mantinea, Regent von Cyrene 5) waͤh-
rend der Minderjaͤhrigkeit Battus IV. welcher mit dem Piſiſtratus zu glei-
cher Zeit lebete, ſoll dieſelbe haben praͤgen laſſen. Demonax iſt ſtehend
vorgeſtellet, mit einer Binde um den Kopf, aus welcher Strahlen her-
vorgehen, und ein Widderhorn uͤber das Ohr: in der rechten Hand
haͤlt er eine Victoria, und in der linken einen Zepter. Es iſt aber glaub-
licher, daß dieſe Muͤnze in ſpaͤterer Zeit zum Andenken des Demonax ge-
praͤget worden.
Nachdem nun die Tyrannen in Griechenland bis auf diejenigen, wel-
che Sicyon guͤtig und nach ihren Geſetzen regiereten 1), vertilget, und die
Soͤhne des Piſiſtratus verjagt und ermordet waren, welches in der ſieben
und ſechzigſten Olympias, und alſo ohngefaͤhr um eben die Zeit geſchah,
da Brutus ſein Vaterland befreyete, erhoben die Griechen ihr Haupt mehr,
a.
Befreyung
der Athenien-
ſer von ihren
Tyrannen.als jemals, und es kam ein neuer Geiſt in dieſe Nation. Die nachher ſo
beruͤhmten Republiken, waren bisher unbetraͤchtliche kleine Staaten gewe-
ſen, bis auf die Zeit, da die Perſer die Griechen in Jonien beunruhigten,
Miletus zerſtoͤreten, und die Einwohner wegfuͤhreten. Die Griechen, ſon-
derlich die Athenienſer, wurden hieruͤber auf das empfindlichſte geruͤhret;
ja noch einige Jahre nachher, da Phrynichus die Eroberung von Miletus
b.
Siege der
Athenienſer
uͤber die Per-
ſer.in einem Trauerſpiele vorſtellete, zerfloß das ganze Volk in Thraͤnen. Die
Athenienſer ſammleten alle ihre Kraͤfte, und in Geſellſchaft der Eretrier
kamen ſie ihren Bruͤdern in dem Joniſchen Aſien zu Huͤlfe: ſie faſſeten ſo
gar den außerordentlichen Entſchluß, den Koͤnig in Perſien in ſeinen Staa-
ten ſelbſt anzugreifen. Sie drungen hinein bis nach Sardes, und erober-
ten und verbrannten dieſe Stadt, in welcher die Haͤuſer theils von Rohr
waren 2), oder doch Daͤcher von Rohr hatten, in der neun und ſechzigſten
Olympias, und erfochten in der zwey und ſiebenzigſten Olympias, das iſt,
zwanzig Jahre nachher, da Hipparchus, der Tyrann von Athen, ermor-
det, und ſein Bruder Hippias verjaget worden, den erſtaunenden Sieg
bey Marathon, welcher wunderbar in allen Geſchichten bleibet.
Die Athenienſer erhoben ſich durch dieſen Sieg uͤber alle andere Staͤd-
te, und ſo wie ſie unter den Griechen zuerſt geſitteter wurden 3), und die
Waffen ablegten, ohne welche in den aͤlteſten Zeiten kein Grieche auch im
Frieden oͤffentlich erſchien, ſo machte das Anſehen und die zunehmende
Von dieſer Zeit an ſchienen alle Kraͤfte von Griechenland in Bewe-d.
Der hierdurch
veranlaſſete
Flor der Kuͤn-
ſte und Wiſ-
ſenſchaften.
gung zu kommen, und die großen Gaben dieſer Nation fiengen ſich an
mehr, als jemals, zu zeigen. Die außerordentlichen Menſchen und großen
Geiſter, welche ſich von Anfang der großen Bewegung in Griechenland
gebildet hatten, kamen itzo alle mit einmal hervor. Herodotus kam in der
ſieben und ſiebenzigſten Olympias aus Carien nach Elis, und las ſeine Ge-
ſchichte allen Griechen vor, welche daſelbſt verſammlet waren; nicht lange
vorher hatte Pherecydes zuerſt in Proſa geſchrieben 5). Aeſchylus trat mit
den erſten regelmaͤßigen Tragoͤdien im erhabenen Stile ans Licht, nachdem
dieſelben ſeit ihrer Erfindung von der ein und ſechzigſten Olympias an, nur
Taͤnze ſingender Perſonen geweſen waren, und erhielt zum erſtenmale den
Preis in der drey und ſiebenzigſten Olympias. Auch um dieſe Zeit fieng
man an, die Gedichte des Homerus abzuſingen, und Cynaͤthus war zu
Das Ungluͤck ſelbſt, welches Griechenland betroffen hatte, mußte zur
Befoͤrderung derſelben dienen: denn die Verheerung, welche die Perſer
anrichteten, und die Zerſtoͤrung der Stadt Athen, war nach dem Siege
des Themiſtocles Urſache zu Wiederaufbauung der Tempel und oͤffentlichen
Gebaͤude. Die Griechen fiengen an mit vermehrter Liebe gegen ihr Vater-
land, welches ſo viel tapfern Maͤnnern Leib und Leben gekoſtet hatte, und
nunmehro gegen alle Menſchliche Macht geſichert ſcheinen konnte, eine jede
Stadt auf Auszierung derſelben, und auf praͤchtigere Gebaͤude und Tem-
pel zu denken. Dieſe großen Anſtalten machten die Kuͤnſtler nothwendig,
und gaben ihnen Gelegenheit, ſich gleich andern großern Maͤnnern zu zei-
Die beruͤhmteſten Bildhauer dieſer Zeit waren Ageladas, von Ar-f.
Kuͤnſtler aus
dieſer Zeit.
gos, der Meiſter des Polycletus; Onatas, aus Regina, welcher die
Statue Koͤnigs Gelo von Syracus, auf einen Wagen mit Pferden vom
Calamis gearbeitet, machte; und Agenor iſt unſterblich geworden durch
die Statuen ewiger Freunde und Befreyer ihres Vaterlandes, des Har-
modius und Ariſtogiton, die in dem erſten Jahre der ſieben und ſiebenzig-
ſten Olympias geſetzet wurden, nachdem ihre Statuen von Erzt, die man
ihnen vier Jahre nach Ermordung des Tyrannen aufrichtete, von den Per-
ſern war weggefuͤhret worden 2). Glaucias, von Aegina, machte die
Statue des beruͤhmten Theagenes von Thaſus, welcher tauſend und drey-
hundert Kraͤnze uͤber eben ſo viel Siege in den Spielen in Griechenland er-
langet hatte 3). Von der Kunſt aus dieſer Zeit zeugen die Muͤnzen Koͤ-
nigs Gelo zu Syracus, und eine in Golde, iſt eine der aͤlteſten gegenwaͤr-
tigen Muͤnzen in dieſem Metalle 4). Das Alter der aͤlteſten Athenienſi-
ſchen Muͤnzen iſt nicht zu beſtimmen, aber der Stil der Arbeit kann den
P. Harduin widerlegen, welcher vorgiebt, daß keine von denſelben vor
dem Koͤnige Philippus in Macedonien gepraͤget worden: denn es finden
ſich Muͤnzen von einem ſehr unfoͤrmlichen Gepraͤge. Die ſchoͤnſte Muͤnze
von Athen, welche ich geſehen, iſt ein ſogenannter Quinarius in Gold,
in dem Koͤnigl. Farneſiſchen Muſeo des Koͤnigs von Sicilien. Boze
Damals war ein Grund zur Groͤße von Griechenland geleget, auf
welchem ein dauerhaftes und praͤchtiges Gebaͤude konnte aufgefuͤhret wer-
den: die Weiſen und Dichter legten die erſte Hand an daſſelbe, die Kuͤnſt-
ler endigten es, und die Geſchichte fuͤhret uns durch ein praͤchtiges Portal
zu demſelben. Es muß die Griechen dieſer Zeit nicht weniger, als einige
wenige, die noch ihre Dichter kennen, in Erſtaunen geſetzet haben, nach
einem vermuthlich vollkommenen Trauerſpiele des Aeſchylus, wenig Jahre
hernach einen Sophocles auftreten zu ſehen, welcher nicht ſtuffenweis, ſon-
dern durch einen unbegreiflichen Flug, das hoͤchſte Ziel Menſchlicher Kraͤf-
te erreichet hat. Er fuͤhrete die Antigone, ſein erſtes Trauerſpiel, im
dritten Jahre der ſieben und ſiebenzigſten Olympias auf 2). Eben ſo einen
Sprung wird die Kunſt von dem Meiſter bis auf den Schuͤler, vom Age-
ladas bis auf den Polycletus, gemacht haben, und es iſt zu glauben, wenn
uns die Zeit uͤber beyder Werke zu urtheilen nicht beraubet haͤtte, daß der
Unterſchied von dem Hercules des Eladas, auf den Jupiter des Phidias,
und von dem Jupiter des Ageladas, auf die Juno des Polycletus, wie
von dem Prometheus des Aeſchylus, auf den Oedipus des Sophocles,
ſeyn wuͤrde. Jener iſt durch hohe Gedanken und durch einen praͤchtigen
Ausdruck mehr erſtaunlich, als ruͤhrend, und in dem Entwurfe ſeiner Fa-
bel, die mehr Wirkliches, als Moͤgliches, hat, weniger ein Dichter, als
ein Erzaͤhler: dieſer aber ruͤhret das Herz durch innere Empfindungen, die
nicht durch Worte, ſondern durch empfindliche Bilder bis zur Seele drin-
gen; und durch die hoͤchſte Moͤglichkeit, welche er geſuchet hat, durch die
Die gluͤckſeligſten Zeiten fuͤr die Kunſt in Griechenland, und ſonder-A.
Vor dem Pe-
loponneſiſchen
Kriege.
lich in Athen, waren die vierzig Jahre, in welchen Pericles, ſo zu reden,
die Republik regierete, und waͤhrend den hartnaͤckigen Krieg, welcher vor
dem Peloponneſiſchen Kriege, der in der ſieben und achtzigſten Olympias
ſeinen Anfang nahm, vorher gieng. Dieſer Krieg iſt vielleicht der einzige,
der in der Welt gefuͤhret worden, in welchem die Kunſt, welche ſehr em-
pfindlich iſt, nicht allein nichts gelitten, ſondern ſich mehr, als jemals, her-
vor gethan hat. Jn demſelben haben ſich die Kraͤfte von Griechenland vol-
lends und gaͤnzlich ausgewickelt; und da Athen und Sparta alle erſinnli-
che Mittel ausforſcheten und ins Werk ſetzten, ein entſcheidendes Ueberge-
wicht auf eine oder die andere Seite zu lenken, ſo offenbarete ſich eines je-
den Talent, und aller Menſchen Sinne und Haͤnde waren beſchaͤftiget.
Die Kuͤnſtler hatten allezeit waͤhrend den Krieg den großen Tag vor ſich,
wo ihre Werke vor aller Griechen Augen aufgeſtellet wurden. Denn wenn
nach vier Jahren ſich die Zeit der Olympiſchen, und nach drey Jahren der
Jſthmiſchen Spiele naͤherte, ſo hoͤreten alle Feindſeligkeiten auf, und die
wider einander erbitterten Griechen kamen zur allgemeinen Freude zu Elis,
oder zu Corinth, zuſammen, und vergaßen uͤber dem Anblicke der Bluͤthe
der Nation, die ſich hervor zu thun ſuchte, auf einige Tage, was vorgegan-
gen war, und was geſchehen ſollte. Eben ſo findet ſich, daß die Lacedaͤ-
monier einen Stillſtand der Waffen von vierzig Tagen macheten, weil ein
Feſt einfiel, welches dem Hiacynthus zu Ehren gefeyert wurde 1). Die
Nemeaͤiſchen Spiele wurden in dem Kriege der Aetolier und der Achaͤer, in
welchen ſich die Roͤmer miſcheten, einige Zeit nicht gefeyert 2). Die Frey-
heit der Sitten in dieſen Spielen verhuͤllete keinen Theil des Koͤrpers an
Sonderlich ſind acht Jahre in dieſem Kriege merkwuͤrdig, und es iſt
ein Periode, welcher fuͤr die Kunſt heilig gehalten werden kann: denn es
iſt glaublich, daß die Tempel, Gebaͤude, und Werke der Kunſt, mit welchen
Pericles ſein Vaterland auszierete, vornehmlich innerhalb dieſer Zeit auf-
gefuͤhret und gearbeitet worden. Jn dieſe Zeit faͤllt auch die drey und acht-
zigſte Olympias, in welcher Phidias bluͤhete.
Es wurde nach einem dreyjaͤhrigen Einhalte der Feindſeligkeiten, wel-
cher durch den Cimon vermittelt, und von beyden Theilen, wiewohl ſtill-
ſchweigend, beobachtet wurde, ein foͤrmlicher Stillſtand der Waffen ge-
ſchloſſen, welcher ſich anhob im zweyten Jahre der zwey und achtzigſten
Olympias. Um eben die Zeit ſchickten die Roͤmer Abgeordnete nach
Athen und in andere Griechiſche Staͤdte, um ihre Geſetze zu haben 3). Ein
Jahr hernach ſtarb Cimon, und ſein Tod gab dem Pericles freyere Hand,
ſeine großen Abſichten auszufuͤhren. Er ſuchte Reichthum und Ueberfluß in
Athen herrſchen zu machen, durch eine allgemeine Beſchaͤftigung aller Men-
ſchen: er bauete Tempel, Schauplaͤtze, Waſſerleitungen und Hafens, und
in Auszierung derſelben gieng er bis zur Verſchwendung: das Parthenion,
Odeum, und viele andere Gebaͤude, ſonderlich aber die doppelte Mauer,
Der Wachsthum der Kunſt unter dem Pericles erfolgete, wie diea.
Allgemeine
Betrachtung
der Kunſt in
dieſer Zeit.
Herſtellung derſelben unter Julius II. und Leo X. Griechenland war
damals, und Jtalien nachher, wie ein fruchtbarer, nicht erſchoͤpfter, aber
auch nicht vernachlaͤßigter Boden, welcher durch eine beſondere Bearbei-
tung den verſchloſſen geweſenen Reichthum ſeiner Fruchtbarkeit auslaͤßt.
Die Kunſt vor dem Phidias, und Michael Angelo und Raphael, iſt
zwar in keine voͤllige Vergleichung zu ſtellen; aber ſie hatte dort, wie hier,
eine Einfalt und Reinigkeit, die deſtomehr zur Verbeſſerung geſchickt iſt,
je ungekuͤnſtelter und unverdorbener ſie ſich erhalten hat.
Die beyden groͤßten Kuͤnſtler in Athen waren Phidias und Par-b.
Damalige
Kuͤnſtler.
rhaſius: der erſte fuͤhrete, außer ſeiner Kunſt, nebſt dem Mneſicles, den
großen Bau des Pericles, und der andere legte mit Hand an die Werke
des Phidias; er zeichnete die Schlacht der Lapither mit den Centauren auf
dem Schilde der Pallas, welche vom Mys in Elfenbein geſchnitten wurde.
Dieſes war das goldene Alter der Kunſt, wo die Eintracht arbeiten half,
und wo das oͤffentlich erkannte und entſchiedene Verdienſt eines jeden die
Eiferſucht entkraͤftete: dieſes Gluͤck genoß die Kunſt vorher und noch eine
geraume Zeit hernach. Unter den aͤlteren Kuͤnſtlern arbeiteten Thylacus
und ſein Bruder Onathus, nebſt deren Soͤhnen, an einem Jupiter zu
Elis 2): vom Onatas von Aegina, und vom Calliteles war an eben dem
Orte ein Mercurius, welcher einen Widder trug 3). Unter ihren Nach-
folgern arbeiteten Xenocritus und Eubius an einem Hercules 4); Timo-
Jn der drey und achtzigſten Olympias ſcheint Phidias die Statue
des Olympiſchen Jupiters geendiget zu haben, und Plinius hat glaublich
die Zeit ſeines Flors, welche er in dieſe Olympias ſetzet, in Abſicht der
Vollendung dieſes großen Werks beſtimmet. Es hatte derſelbe ſeine Kunſt
vornehmlich den Goͤttern und den Helden gewidmet 6), und es fand ſich zu
Elis unter den Statuen der Sieger nur eine einzige von ihm gearbeitet:
ſie ſtellet den ſchoͤnen Pantarces vor, in welchen der Kuͤnſtler verliebt
Jn eben dieſer Olympias gieng der fuͤnfjaͤhrige Stillſtand zu Ende,
und der Krieg brach von neuem aus, aber der Bau in Athen wurde fort-
gefuͤhret, und die Arbeit im geringſten nicht unterbrochen. Denn in der
ſieben und achtzigſten, oder, wie Dodwell will, in der fuͤnf und achtzig-
ſten Olympias, hatte Phidias die weltberuͤhmte Pallas geendiget, welche
von dem Pericles in ihrem Tempel geweihet wurde 2). Von den Statuen
und andern Werken in dieſem Tempel, hatte Polemon, Periegetes zu-
benamet, vier Buͤcher geſchrieben 3). Ein Jahr vor Einweihung des
Tempels der Pallas fuͤhrete Sophocles ſeinen Oedipus, das Meiſterſtuͤck
aller Tragoͤdien, auf, ſo daß gemeldete Olympias den Kuͤnſtlern wegen
eins der vollkommenſten Werke der Kunſt, wie den Gelehrten, merk-
wuͤrdig ſeyn kann.
Endlich aber gieng, funfzig Jahre nach dem Feldzuge des Xerxes wi-B.
Jn dem Pe-
loponneſiſchen
Kriege.
der die Griechen, aus den bisherigen Feindſeligkeiten das Feuer des Pelo-
ponneſiſchen Krieges auf, durch die Gelegenheit, welche Sicilien gab, an
welchem alle Griechiſche Staͤdte Antheil hatten: den Athenienſern gab ein
einziges ungluͤckliches Seegefechte einen Stoß, welchen ſie nicht verwinden
konnten 4). Es wurde zwar in der neun und achtzigſten Olympias ein
Stillſtand von funfzig Jahren geſchloſſen, aber ein Jahr nachher auch
wiederum aufgehoben, und die Erbitterung der Gemuͤther dauerte bis zur
gaͤnzlichen Entkraͤftung der Nation. Wie reich Athen noch um dieſe Zeit
war, ſieht man aus der Schatzung, welche in dem ganzen Gebiete dieſer
Stadt zu dem Kriege wider die Lacedaͤmonier ausgeſchrieben wurde, da
Jn dieſem Kriege ſcheinen die Poeſie und die Kunſt nicht gleiches
Schickſal, wie vorher, gehabt zu haben. Denn da ſonderlich die Athe-
nienſer aus eigenen Koſten dieſem Kriege nicht gewachſen waren, ſo konnte
nicht viel auf Werke der Kunſt verwendet werden. Allein die Schauſpiele
ließ das Volk nicht eingehen; ſie wurden bey ihnen gleichſam unter die
Nothwendigkeiten des Lebens gerechnet, und als die Stadt nachher unter
dem Regimente des Macedoniſchen Lachares von dem Demetrius Poliorce-
tes belagert wurde, dieneten die Schauſpiele in der Hungersnoth den Ma-
gen zu befriedigen 2). Wir finden Nachricht, daß, nach beſagtem ſogenann-
ten Peloponneſiſchen Kriege, in der groͤßten Armuth, worinnen ſich Athen
befand, ein gewiſſes Geld unter die Buͤrger, um die Schauſpiele ſehen zu
koͤnnen, und zwar eine Drachme auf den Mann, ausgetheilet wurde.
Denn ſie hielten dieſelbe in gewiſſer Maße, ſo wie die oͤffentlichen Spiele,
fuͤr heilig, wie ſie denn auch mehrentheils an großen Feſten aufgefuͤhret
wurden, und das Theater zu Athen iſt das erſte Jahr dieſes Krieges durch
den Wettſtreit des Euripides mit dem Sophocles und Euphorion uͤber die
Tragoͤdie Medea, welche fuͤr das beſte Stuͤck von jenem gehalten wurde 3),
eben ſo bekannt, als es die naͤchſt folgenden Olympiſchen Spiele ſind durch
den Doriaͤus aus Rhodus, den Sohn des beruͤhmten Diagoras, welcher
den Sieg und Preis erhielt. Das dritte Jahr nach Auffuͤhrung der Me-
dea, trat Eupolis mit ſeinen Comoͤdien hervor, und in eben dieſer Olym-
pias Ariſtophanes mit ſeinen Weſpen. Jn der folgenden, nemlich der
acht und achtzigſten Olympias, fuͤhrete er ſeine zwey Stuͤcke, die Wolken
und die Acharnenſer betitelt, auf. Aus angefuͤhrtem Grunde ſollte man
Wenn man annimmt, daß das bekannte Gruppo in der Villa Medi-
cis eben die Niobe iſt, von welcher Plinius redet, ſo wuͤrde aus der Jdea
der hohen Schoͤnheit in den Koͤpfen, von welcher ich im erſten Theile einen
Begriff gegeben, und aus der reinen Einfalt in Gewaͤndern, ſonderlich der
beyden juͤngern Toͤchter, die Wahrſcheinlichkeit fuͤr den Scopas ſtaͤrker,
als fuͤr den Praxiteles, ſeyn; da jener faſt hundert Jahre aͤlter iſt, als die-
ſer. Wollte jemand, welcher nicht Kenntniß genug hat, zweifeln, ob die
Niobe ein Original, oder eine Copie iſt, da ein paar Figuren dieſes Grup-
po nicht von eben der Hand, und in der That geringer zu achten ſind, ſo
wuͤrde dieſes dennoch den vornehmſten Kenntniſſen der Kunſt, welche aus
dieſem Werke zu ziehen ſind, nichts nehmen, und dieſer Zweifel machete
das Urtheil uͤber die Arbeit des Scopas nicht grundlos. Denn da ein ſo
großes und aus vielen Figuren beſtehendes Werk dieſes Kuͤnſtlers, allezeit
das erſte wird geblieben ſeyn unter denen, welche ſich eben dieſe Vorſtellung
gewaͤhlet haben, ſo wird auch daſſelbe von andern auf das genaueſte nach-
geahmet ſeyn, und wir koͤnnten aus der Copie allezeit von dem Stil des
erſten Meiſters urtheilen. Es ſind in der That Wiederholungen einiger
Figuren in eben dieſer Villa und im Campidoglio; hier eine von den
Pythagoras, der vierte unter den oben namhaft gemachten Kuͤnſt-
lern, wurde unter die erſten ſeiner Zeit gezaͤhlet, wie der Preis, welchen
er zu Delphos durch die Statue eines Pancratiaſten uͤber den Myron er-
halten, beweiſet. Alcamenes wurde fuͤr den naͤchſten nach dem groͤßten
Kuͤnſtler ſeiner Zeit gehalten 2): eins von ſeinen beruͤhmteſten Werken war
ſeine Venus, mit dem Zunamen, im Garten zu Athen. Dieſes wa-
ren die beruͤhmteſten Kuͤnſtler des hohen Stils der Kunſt.
Ein gelehrter Engelaͤnder behauptet 3), daß die bekannte Vergoͤtterung
des Homerus in dem Pallaſte Colonna zu Rom, zwiſchen der zwey und
ſiebenzigſten und vier und neunzigſten Olympias gemachet worden, und
dieſes aus Gruͤnden, welche ihm die vermeynte Schreibart eines Wortes
auf dieſem Marmor, welches die Zeit bedeutet, giebt. Wenn dieſes Vor-
geben ſeine Richtigkeit haͤtte, und mit dem Augenſcheine beſtehen koͤnnte, ſo
wuͤrde dieſes Werk eines der aͤlteſten Ueberbleibſel aus dem Alterthume,
und aus dem hohen Stile der Kunſt ſeyn. Es war nicht zu fordern, daß
er aus der Arbeit der Kunſt urtheilen ſollen, weil er das Stuͤck vermuth-
lich nicht geſehen; alſo hat er ſich auf die ſo viel und weitlaͤuftig abgehan-
delte Schreibart gedachten Worts verlaſſen 4). Es hat derſelbe aber nicht
Jch kehre wiederum zur Geſchichte, und zu dem ungluͤcklichen Pelo-
ponneſiſchen Kriege zuruͤck, welcher ſich im erſten Jahre der vier und neun-
zigſten Olympias endigte, aber mit Verluſt der Freyheit von Athen, und
zugleich, wie es ſcheinet, mit großem Nachtheile der Kunſt. Die Stadt
wurde vom Lyſander belagert, und mußte ſich nach der Uebergabe unter
den ſchweren Arm der Spartaner und ihres Heerfuͤhrers demuͤthigen, wel-
cher ihren Hafen einreißen, die Mauern unter waͤhrender Muſik ſchleifen
ließ, und die ganze Form der Regierung aͤnderte. Der Rath von dreyßig
Perſonen, welchen er ſetzte, ſuchte, wenn es moͤglich geweſen waͤre, durch
Hinrichtung der edelſten Buͤrger auch den Saamen der Freyheit zu vertil-
gen. Jn dieſen Drangſalen trat Thraſybulus hervor, uud wurde ein Er-
retter ſeines Vaterlandes. Die Tyrannen wurden nach acht Monathen
theils verjaget, theils ermordet, und ein Jahr hernach wurde durch eine
oͤffentliche Verordnung der Vergeſſenheit alles deſſen, was vorgegangen
war, die Ruhe in Athen wieder hergeſtellet. Ja dieſe Stadt hob ſich wie-
Die Kunſt erwachte damals von neuem, und die Schuͤler der vorigenKuͤnſtler aus
dieſer Zeit.
großen Meiſter, Canachus, Naucydes, Diomedes und Patrochus
zeigeten ſich in der folgenden fuͤnf und neunzigſten Olympias. Wir ſehen
aus Angebung dieſer Zeit, in welche der Flor dieſer Meiſter geſetzet wird,
daß die Kunſt mit Athen immer einerley Schickſale gehabt, und daß ihr
Aufnehmen vorzuͤglich von dem Wohlſtande dieſer Stadt abgehangen.
Canachus iſt vornehmlich durch eine Statue des Apollo Phileſius, d. i.
des Kuͤſſenden, oder Gekuͤſſeten, bekannt; Naucydes arbeitete fuͤr die
Stadt Corinth eine Hebe von Golde und Elfenbein; aber ſie haben den
Ruhm ihrer Vorfahren nicht erreichet. Nach dieſen Kuͤnſtlern kam
Bryaxis, Leochares und Timotheus, in der hundert und zweyten
Olympias. Von den erſten war ein beruͤhmter Apollo zu Daphne bey An-
tiochia, und zu Rhodus fuͤnf Coloſſaliſche Statuen von Goͤttern: der an-
dere machte den ſchoͤnen Ganymedes, welchen der Adler auf das zaͤrtlichſte
gefaſſet hatte, und ſich zu fuͤrchten ſchien, ihm auch durch die Kleider
wehe zu thun 1) Von dem letzten war eine Diana in dem Pallaſte der
Kaiſer zu Rom.
[fremdsprachliches Material – fehlt]
Jn der hunderten Olympias bekamen die Sachen in Griechenland ei-
ne andere Geſtalt, und es veraͤnderte ſich das Syſtema der Staaten durch
den Epaminondas, den groͤßten Mann aller Griechen, der ſein Vaterland
Theben, welches vorher geringe ſchien, groß und maͤchtig uͤber Athen und
Sparta machete. Dieſe beyden Staͤdte trieb ſogleich die Furcht zur Ein-
tracht; ſie macheten Friede in der hundert und zweyten Olympias, und
Athen war in Ruhe, da Epaminondas die beruͤhmten Siege uͤber die La-
cedaͤmonier bey Leuctra und bey Mantinea erfochte.
Mit dieſer Zeit faͤngt das letzte Alter der großen Leute in Griechen-
land an; die Zeit ihrer letzten Helden und Weiſen, ihrer feinſten Scriben-
ten und groͤßten Redner. Xenophon und Plato waren in ihren beſten
Jahren, und Demoſthenes trat nach ihnen auf, und redete unuͤberwindlich
fuͤr ſein Vaterland. Eben dieſe Zeit iſt es, in welcher an hundert Jahre
nach dem Phidias, Praxiteles gebluͤhet hat. Alle Welt redet von ſeinem
geprieſenen ([fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt]) Satyr, von ſeinem Cupido zu Theſpis 1), und
Einige Zeit nach dem Praxiteles erſchien Lyſippus, welcher auf der
Bahne, die allezeit die groͤßten Menſchen in ihrer Art betreten haben, zur
Vollkommenheit in ſeiner Kunſt gieng: dieſer Weg iſt, ſelbſt die Quelle zu
ſuchen, und zu dem Urſprunge zuruͤck zu kehren, um die Wahrheit rein und
unvermiſcht zu finden. Die Quelle und der Urſprung in der Kunſt iſt die
Natur ſelbſt, die, wie in allen Dingen, alſo auch hier, unter Regeln,
Saͤtzen und Vorſchriften ſich verlieren, und unkenntlich werden kann.
[fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt]
Jn dieſer Ruhe uͤberließen ſich die Griechen ihrer natuͤrlichen Nei-
gung zum Muͤßiggange und zu Luſtbarkeiten 4): und Sparta ſelbſt gieng
von ſeiner Strenge ab 5): der Muͤßiggang fuͤllete die Schulen der Philoſo-
phen, die ſich vervielfaͤltigten, und ſich ein groͤßeres Anſehen gaben; die
Luſtbarkeiten beſchaͤftigten Dichter und Kuͤnſtler, und dieſe ſuchten nach
Das guͤtige Schickſal aber, welches auch uͤber die Kuͤnſte bey ihrera.
Von der Sta-
tue des Lao-
coon.
Vertilgung noch gewachet, hat aller Welt zum Wunder ein Werk aus die-
ſer Zeit der Kunſt erhalten, zum Beweis von der Wahrheit der Geſchichte
von der Herrlichkeit ſo vieler vernichteten Meiſterſtuͤcke. Laocoon, nebſt
ſeinen beyden Soͤhnen, vom Ageſander, Apollodorus und Athanodo-
rus aus Rhodus 1) gearbeitet, iſt nach aller Wahrſcheinlichkeit aus dieſer
Zeit, ob man gleich dieſelbe nicht beſtimmen, und, wie einige gethan ha-
ben, die Olympias, in welcher dieſe Kuͤnſtler gebluͤhet haben, angeben
kann 2) Wir wiſſen, daß man dieſes Werk ſchon im Alterthume allen
[fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt]
Laocoon iſt eine Natur im hoͤchſten Schmerze, nach dem Bilde eines
Mannes gemacht, der die bewußte Staͤrke des Geiſtes gegen denſelben zu
ſammeln ſuchet; und indem ſein Leiden die Muskeln aufſchwellet, und die
Nerven anziehet, tritt der mit Staͤrke bewaffnete Geiſt in der aufgetriebe-
benen Stirne hervor, und die Bruſt erhebet ſich durch den beklemmten
Othem, und durch Zuruͤckhaltung des Ausbruchs der Empfindung, um
den Schmerz in ſich zu faſſen und zu verſchließen. Das bange Seufzen,
welches er in ſich, und den Othem an ſich zieht, erſchoͤpfet den Unterleib,
und machet die Seiten hohl, welches uns gleichſam von der Bewegung ſei-
ner Eingeweide urtheilen laͤßt. Sein eigenes Leiden aber ſcheint ihn weni-
ger zu beaͤngſtigen, als die Pein ſeiner Kinder, die ihr Angeſicht zu ihrem
Vater wenden, und um Huͤlfe ſchreyen: denn das vaͤterliche Herz offen-
baret ſich in den wehmuͤthigen Augen, und das Mitleiden ſcheint in einem
truͤben Dufte auf denſelben zu ſchwimmen. Sein Geſicht iſt klagend, aber
nicht ſchreyend, ſeine Augen ſind nach der hoͤhern Huͤlfe gewandt. Der
Mund iſt voll von Wehmuth, und die geſenkte Unterlippe ſchwer von der-
ſelben; in der uͤberwerts gezogenen Oberlippe aber iſt dieſelbe mit Schmerz
Es haben einige wider dieſes Werk Zweifel aufgeworfen, und, weil
es nicht aus einem einzigen Stuͤcke beſteht, welches Plinius von dem Lao-
coon in den Baͤdern des Titus verſichert, ſondern aus zwey Stuͤcken zu-
ſammengeſetzet iſt, will man behaupten, es ſey der gegenwaͤrtige Laocoon
nicht der alte ſo beruͤhmte. Pirro Ligorio iſt einer von denſelben, und
er will aus Stuͤcken von Fuͤßen und Schlangen, die groͤßer, als die Na-
Außer dieſem ſchoͤnſten und großen Werke der hoͤchſten Zeit der Kunſt,
lebet dieſelbe in den Muͤnzen Koͤnigs Philippus von Macedonien, Alexan-
ders des Großen, und deſſen naͤchſten Nachfolger: der ſitzende Jupiter auf
Alexanders Muͤnzen in Silber, kann uns ein Bild geben von dem Olym-
piſchen Jupiter des Phidias; ſo viel Goͤttlichkeit iſt auch in den kleinen
Zuͤgen ſeines Geſichts geleget, und die Arbeit iſt zur hoͤchſten Feinheit ge-
trieben. Auch der ſchoͤne Kopf dieſes Koͤnigs in Marmor, groͤßer als die
Natur, in der Gallerie zu Florenz, koͤnnte dieſer Zeit wuͤrdig geachtet wer-
den: ein kleinerer Kopf deſſelben in Lebensgroͤße im Campidoglio, iſt wie
fuͤr eine Copie nach jenem Kopfe von der Hand eines guten Kuͤnſtlers zu
achten. Ein vermeynter Kopf des Alexanders in Erzt unter den Hercula-
niſchen Entdeckungen, iſt in den Augen desjenigen, welcher jene kennet,
und unterſuchet hat, nur mittelmaͤßig.
Man wird hier ein Urtheil erwarten uͤber zween geſchnittene Steineb.
Von vermeyn-
ten geſchnitte-
nen Steinen
des Pyrgote-
les aus dieſer
Zeit.
mit Koͤpfen des Alexanders und des Phocions, auf welchen der Name
Pyrgoteles ſteht 1), der nur allein das Recht hatte, den Kopf dieſes Koͤ-
nigs zu ſchneiden. Beſagte Stuͤcke ſind in allen Schriften fuͤr eine Arbeit
dieſes Meiſters erkannt, und es wird eine Verwegenheit ſcheinen, dem er-
ſten das vorgegebene Alterthum abzuſprechen. Den Stein, mit dem ver-
meynten Kopfe des Phocions, welcher ein Cameo iſt, hat weder Bello-
ri 2), noch der Herr von Stoſch geſehen, ſondern beyde haben nur nach
einem Abguſſe geurtheilet, welcher von einem ſchlechten Abdrucke in Sie-
gellack genommen war: denn der Stein war in dem Graͤflichen Hauſe Ca-
ſtiglione, entfernet von Rom, und es war nicht zu erhalten, denſelben
nach Rom zu uͤbermachen, um ihn richtig zu formen und in Schwefel ab-
zugießen. Der itzige Beſitzer deſſelben iſt der Herr Cardinal Alex. Albani,
und ich kann von dieſem Steine urtheilen, weil ich ihn unter den Haͤnden
habe 3). Erſtlich hat die Form der Buchſtaben von dem Namen Phocion
ſowohl, als des Pyrgoteles, nicht das Alterthum dieſer Zeit; hernach iſt
die Arbeit unter dem Begriffe von einem ſo beruͤhmten Kuͤnſtler. Alt iſt
der Kopf, und der Name Phocion wird es auch ſeyn, aber nicht der Na-
me der Perſon, ſondern des Steinſchneiders: der Name Pyrgoteles aber
wird in neuern Zeiten zugeſetzet worden ſeyn. Herr Zanetti in Venedig
beſitzet einen dieſem aͤhnlichen Stein 4), welches glaublich eben derſelbe iſt,
von welchem Vaſari Nachricht ertheilet 5), von Alexander Ceſari, mit
Bey Gelegenheit erinnere ich, daß der ehemals in Spanien zu Ta-
ragona gefundene Kopf mit dem Namen Demoſthenes, welchen Fulvius
Urſinus und Bellori, nebſt andern, fuͤr das Bild des beruͤhmten Redners
aus dieſer Zeit halten, eine andere Perſon vorſtellen muͤſſe. Denn zwey
ſchoͤne Bruſtbilder in Erzt, aber kleiner, als die Natur, und das kleinſte
mit dem untergeſetzten Namen Demoſthenes, welches nebſt den Bildern
anderer beruͤhmten Maͤnner im Herculano gefunden iſt, haben einen Bart,
und jener Kopf, welcher dieſem gar nicht aͤhnlich iſt, hat das Kinn glatt;
jene Koͤpfe ſind alſo das wahre Bild des Redners.
Von einer Statue eines Jupiter Urius, das iſt, der guten
Wind verleihet, welche derjenige Philo, deſſen Statue des Hephaͤ-
ſtions, Alexanders Lieblings, ſehr geſchaͤtzet wurde, kann gemachet ha-
ben, befindet ſich noch die Baſe, nebſt der Jnſchrift, zu Chalcedon
Jn der Ordnung, in welcher Plinius die Kuͤnſtler namhaft machet,e.
Von dem ſo-
genannten
Farneſiſchen
Ochſen.
koͤnnte es ſcheinen, daß Apollonius und Tauriſcus aus Rhodus, die
Meiſter eines großen Werks, aus einem einzigen Blocke Marmor, wel-
ches den Zethus und Amphion, nebſt ihrer Mutter Antiope, und ihre Stief-
mutter Dirce, an einen Ochſen gebunden, vorſtellete, aus dieſer Zeit ge-
weſen. Man kann glauben, daß der ſogenannte Farneſiſche Ochſe eben
dieſes Werk ſey, und es ſcheint nicht glaublich, daß man ein ſo ungewoͤhn-
lich großes Werk wiederholet habe. Aber die es weit unter dem Begriffe,
den eine Arbeit aus guter Zeit geben ſollte, und fuͤr eine ſogenannte Roͤmi-
ſche Arbeit halten 3), ſind ſo wie alle, die von dieſem Werke geſchrieben
haben, blind geweſen. Denn was das Schoͤnſte ſeyn ſollte, iſt neu, was
man auch ſchreiben mag, daß es ohne den geringſten Mangel in den Baͤ-
dern von Caracalla gefunden worden, und keine andere Huͤlfe noͤthig ge-
habt, als die Zuſammenfuͤgung der gebrochenen Theile 4). Die oberſte
Haͤlfte der Dirce bis auf die Schenkel iſt neu; am Zethus und Amphion iſt
nichts, als der Rumpf, alt, und ein einziges Bein an der einen von bey-
den Figuren; die Koͤpfe derſelben ſcheint der Ergaͤnzer nach einem Kopfe
des Caracalla gemacht zu haben; dieſer Bildhauer hieß Battiſta Bianchi,
ein Maylaͤnder. Antiope, welche ſteht, und der ſitzende junge Menſch,
die ſich faſt voͤllig erhalten, haͤtten den großen Unterſchied zeigen ſollen.
Man wird aufhoͤren ſich zu verwundern, daß ſich der Strick erhalten hat,
wenn der Kopf des Ochſens, an welchem derſelbe gebunden, neu iſt.
Nach Alexanders des Großen Tode, erhoben ſich Empoͤrungen und
blutige Kriege in den eroberten Reichen deſſelben, und auch in Macedonien
ſelbſt, unter deſſen naͤchſten Nachfolgern, die um die hundert und vier und
zwanzigſte Olympias alle ſchon mit Tode abgegangen waren 2), und die
A.
Unter den
naͤchſten Nach-
folgern.Kriege dauerten fort auch unter den Nachfolgern und Soͤhnen von dieſen.
Griechenland litt in kurzer Zeit durch feindliche Kriegsheere, mit welchen
es ſo oft uͤberſchwemmet wurde, durch die faſt jaͤhrliche Veraͤnderung der
a.
Umſtaͤnde der
Griechen und
der Athenien-
fer.Regierung, und durch die großen Schatzungen, womit die Nation erſchoͤ-
pfet wurde, mehr, als in allen vorigen einheimiſchen Kriegen. Die Athe-
nienſer, bey welchen der Geiſt der Freyheit nach Alexanders Tode auf-
wachte, thaten den letzten Verſuch, ſich von den Macedoniern unabhaͤngig
zu machen, und brachten andere Staͤdte wider den Antipater in Waffen,
aber ſie wurden nach einigen erhaltenen Vortheilen geſchlagen, und ge-
zwungen, einen harten Frieden einzugehen, in welchem ihnen auferlegt
wurde, die Unkoſten des Kriegs, und noch uͤberdem eine große Summe
zu zahlen, und in dem Hafen Munichia Beſatzung einzunehmen. Ja ein
Theil von den Buͤrgern wurde nach Thracien geſchicket, und hiermit hatte
Die Kunſt, welche von der Freyheit gleichſam das Leben erhalten,
mußte alſo nothwendig durch den Verluſt derſelben, an dem Orte, wo die-
ſelbe vornehmlich gebluͤhet, ſinken und fallen. Athen wurde unterdeſſen
unter dem glimpflichen Regimente der Macedoniſchen Statthalter, ſonder-
lich des Demetrius Phalereus, wiederum ſo volkreich, als es ſonſt gewe-
ſen war, und man ſollte aus den dreyhundert und ſechzig Statuen von
Erzt, die ihm binnen Jahresfriſt aufgerichtet wurden, (unter welchen vie-
le zu Wagen und Pferde waren,) ſchließen, daß der mehreſte Theil von
Buͤrgern Kuͤnſtler geweſen. Es ſcheint auch außerordentlich, daß die Athe-
nienſer damals eine Verordnung gemacht haben uͤber goldene Statuen,
(ich wollte lieber glauben, vergoldete,) welche die Stadt dem Demetrius
Poliorcetes, und deſſen Vater Antigonus, ſetzen wollte 5); ferner, daß
die Stadt Sigea dem Antiochus Soter eine goldene Statue zu Pferde
zu ſetzen beſchloſſen 6): aber eben dieſe verſchwenderiſche Schmeicheley ge-
reichete zum Nachtheile der Wahrheit und des Fleißes in der Kunſt. Es
iſt im uͤbrigen gewiß, daß der Flor der Kunſt nicht laͤnger, als nach Ale-
xanders Tode, beſtanden, das iſt, wie Plinius dieſe Zeit angiebt 7), in der
hundert und zwanzigſten Olympias.
Um dieſe Zeit hatten ſich die Athenienſer wider den Demetrius Po-
liorcetes, nachdem deſſen Vater Antigonus in der Schlacht bey Jpſus ge-
Der Fall des Flors der Kunſt iſt zu verſtehen von Kuͤnſtlern, welcheB.
Abnahme der
Kunſt in Grie-
chenland, die
hingegen an-
fieng zu bluͤ-
hen
ſich von neuem hervorgethan: denn diejenigen, welche, als Lyſippus, Apel-
les und Protogenes, beſagte Zeit uͤberlebet, werden nach ihrem Flore ge-
rechnet. Die große Veraͤnderung nach Alexanders Tode aͤußert ſich auch
in der Sprache und Schreibart der Griechen: denn ihre Schriften ſind von
dieſer Zeit an groͤßtentheils in dem ſogenannten gemeinen Dialecte abge-
faſſet, welcher zu keiner Zeit, oder an irgend einem Orte, die Mundart
des Volks war; es war eine Sprache der Gelehrten, ſo wie es die Latei-
niſche itzo iſt.
Die Kunſt, welche Noth in Griechenland litt, wurde von den Se-a.
Unter den Se-
leucidern.
leucidern nach Aſien gerufen, und die daſigen Kuͤnſtler machten denen,
die in Griechenland geblieben waren, den Vorzug ſtreitig 2). Her-
mocles aus Rhodus, welcher die Statue des ſchoͤnen Combabus mach-
te 3), bluͤhete an dem Hofe der erſten von dieſen Koͤnigen. Cteſias, wel-
cher einen ſterbenden Fechter machte, war vielleicht unter den Kuͤnſtlern
dieſes Hofes: denn Antiochus Epiphanes, Koͤnig in Syrien, fuͤhrete die
Fechterſpiele, welche den Griechen nicht bekannt waren, in Aſien ein; er
ließ Fechter von Rom kommen, und die Griechen, welche anfaͤnglich dieſe
Spiele nicht ohne Abſcheu ſahen, verlohren durch die Gewohnheit die Em-
pfindung: bey den Cretenſern allein waren ſchon vor dieſer Zeit Fechter-
ſpiele uͤblich, und es erſchienen auch die geehrteſten Frauen bey denſelben 4).
Nach Aegypten wurde die Kunſt durch die Freygebigkeit des Ptole-
maͤus gezogen, und Apelles ſelbſt gieng nach Alexandrien: die Griechiſchen
Koͤnige in Aegypten waren die maͤchtigſten und reichſten unter allen Nach-
folgern Alexanders des Großen. Sie unterhielten ein Kriegsheer, wenn
man dem Appianus von Alexandrien glauben darf 2), von zweymal hun-
dert tauſend zu Fuß, und von dreyßig tauſend zu Pferde: ſie hatten drey
hundert zum Kriege abgerichtete Elephanten, und zwey tauſend Streitwa-
gen. Jhre Seemacht waͤre nicht weniger groß geweſen: gedachter Scri-
bent redet von tauſend und zwey hundert dreyrudrigen bis fuͤnfrudrigen
Schiffen. Alexandrien wurde unter dem Ptolemaͤus Philadelphus beyna-
he, was Athen geweſen war: die groͤßten Gelehrten und Dichter verließen
ihr Vaterland, und fanden ihr Gluͤck daſelbſt: Euclides lehrete hier die
Geometrie, der Dichter der Zaͤrtlichkeit, Theocritus, ſang hier Doriſche
Hirtenlieder, und Callimachus prieß mit einer gelehrten Zunge die Goͤt-
ter. Der praͤchtige Aufzug, welchen gedachter Koͤnig zu Alexandrien hielt,
zeiget, was fuͤr eine Menge Bildhauer in Aegypten muͤſſe geweſen ſeyn:
es wurden Statuen zu hunderten herumgefuͤhret, die man nicht aus Tem-
peln wird entlehnet haben, und in dem großen Gezelte, welches beym Athe-
naͤus beſchrieben wird 3), lagen hundert verſchiedene Thiere von Marmor,
von den vornehmſten Kuͤnſtlern gearbeitet.
Um dieſe Zeit aͤußerte ſich zuerſt ein verderbter Geſchmack unter den
Griechen, an welchem das Hofleben ihrer Dichter einen großen Antheil
hatte, und dieſes war dasjenige Uebel, welches zu unſern Zeiten Pedan-
Von den erſten und beſten Kuͤnſtlern, welche aus Griechenland nach
Alexandrien giengen, ſind vermuthlich diejenigen Statuen in Porphyr ge-
arbeitet, welche ſich in Rom befinden, die vom Kaiſer Claudius, und nur
allein von demſelben, wie Plinius berichtet 1), aus Aegypten gebracht
worden. Ein ſchoͤner Sturz von einer Pallas ſteht am Aufgange zum
Campidoglio, eine Pallas mit einem Kopfe von Marmor iſt in der Villa
Medicis, und die allerſchoͤnſte Statue nicht allein in Porphyr, ſondern
man kann auch ſagen, unter den ſchoͤnſten aus dem Alterthume, iſt eine
vermeynte Muſe, von andern wegen ihres Diadema eine Juno genannt,
uͤber Lebensgroͤße, in der Villa Borgheſe, deren Gewand ein Wunder-
werk der Kunſt iſt 2). Unterdeſſen ſind auch zu Rom Statuen in Por-
phyr gearbeitet, wie ein Bruſtbild mit einem Panzer in dem Pallaſte Far-
neſe zeiget, welches nur angeleget, und nicht voͤllig geendiget iſt: es wur-
de im Campo Marzo zu Rom gefunden, wie Pirro Ligorio in ſeinen
Handſchriften in der Vaticaniſchen Bibliothek berichtet. Es werden auch
verſchiedene Statuen gefangener Koͤnige in dieſem Steine, in der Villa
Borgheſe, Medicis und anderwerts, in Rom ſelbſt gearbeitet ſeyn.
Hermocles von Rhodus iſt einer von den Bildhauern, welche ſich in
dieſer Zeit beruͤhmt gemacht haben. Unter dem Ptolemaͤus Philadelphus
war ein Steinſchneider Satyrius beruͤhmt, welcher deſſen Gemahlinn
Arſinoe in Cryſtall geſchnitten hatte 3).
Die Griechiſche Kunſt aber wollte in Aegypten, als unter einem ihr
fremden Himmel, nicht Wurzel faſſen 4), und ſie verlohr unter dem Prach-
te an den Hoͤfen der Seleucider und Ptolemaͤer viel von ihrer Groͤße, und
Jn Griechenland ſelbſt aber ſtieg aus der uͤbrig gebliebenen WurzelF.
Und in Grie-
chenland durch
die innerlichen
Kriege des A-
chaͤiſchen Bun-
des mit den
Aetoliern.
der Freyheit, die durch viele Tyrannen, welche ſich unter dem Koͤnige An-
tigonus Gonatas in Macedonien, und durch deſſen Handreichung aufge-
worfen hatten 1), war gekraͤnket worden, eine neue Sproſſe hervor, und
aus der Aſche ihrer Voreltern wurden einige große Maͤnner erwecket, die
ſich der Liebe ihres Vaterlandes aufopferten, und den Macedoniern und
den Roͤmern ein großes Aufmerken macheten. Es unternahmen drey oder
vier in der Geſchichte kaum bekannte Staͤdte, in der hundert und vier und
zwanzigſten Olympias, ſich der Herrſchaft der Macedonier zu entziehen:
es gelung ihnen, die Tyrannen, welche ſich in jeder Stadt aufgeworfen
hatten, theils zu verjagen, theils zu ermorden, und weil man das Buͤnd-
niß dieſer Staͤdte von keiner Folge hielt, blieben ſie ungekraͤnkt: dieſes war
der Grund und Anfang zu dem beruͤhmten Achaͤiſchen Bunde. Viele große
Staͤdte, ja ſelbſt Athen, welche dieſen Entſchluß nicht gewaget hatten, be-
fanden ſich beſchaͤmt, und ſuchten mit gleichem Muthe die Herſtellung ihrer
Freyheit. Endlich trat ganz Achaja in ein Buͤndniß, entwarf neue Geſe-
tze, und eine beſondere Form in der Regierung; und da die Lacedaͤmonier
und Aetolier aus Eiferſucht gegen ſie aufſtunden, ſo traten Aratus und
Philopoemenes, die letzten Helden der Griechen, und jener ſchon im
zwanzigſten Jahre ſeines Alters, an ihre Spitze, und waren muthige Ver-
theidiger der Freyheit.
Griechenland aber war von ſeinem ehemaligen Flore ſehr abgefallen,
und die Verfaſſung der Staͤdte, ſo gar zu Sparta, welche bis auf dieſe
Da der Krieg in gedachter Olympias zwiſchen den Achaͤern und Aeto-
liern ausbrach, gieng die Erbitterung beyder Theile gegen einander ſo weit,
daß ſie damals ſogar anfiengen, wider die Werke der Kunſt zu wuͤten.
Als die Aetolier in eine Macedoniſche Stadt, Dios genannt, aus welcher
die Einwohner entfluͤchtet waren, ohne Widerſtand einzogen, riſſen ſie die
Mauern derſelben um, und die Haͤuſer nieder; die Hallen und die bedeck-
ten Gaͤnge um die Tempel wurden in Brand geſtecket, und alle Statuen
daſelbſt zerſchlagen 4). Eben ſolche Wuth veruͤbten die Aetolier in dem
Tempel des Jupiters zu Dodona in Epirus; ſie verbrannten die Gallerien,
zernichteten die Statuen, und richteten den Tempel ſelbſt zu Grunde 5);
und Polybius fuͤhret in einer Rede eines Acarnaniſchen Geſandten 6) viele
andere Tempel an, welche von den Aetoliern ausgepluͤndert worden. Ja
Die Aetolier giengen ſo weit in der Feindſeligkeit gegen die Achaͤer,
daß ſie die Roͤmer zu Huͤlfe riefen, welche damals zuerſt ihren Fuß auf den
Griechiſchen Boden ſetzten; die Achaͤer hingegen hatten die Parthey der
Macedonier ergriffen. Nach einem Siege, welchen Philopoemenes, der
Feldherr des Bundes, wider die Aetolier und ihren Beyſtand erfochte, tra-
ten die Roͤmer, da ſie beſſer von den Umſtaͤnden in Griechenland unterrich-
Dieſes geſchah in der hundert und fuͤnf und vierzigſten Olympias,G.
Neuer Flor
der Kunſt in
Griechenland
durch dieſe er-
theilte Frey-
heit, aber von
kurzer Dauer.
hundert und vier und neunzig Jahre vor der Chriſtlichen Zeitrechnung;
und es ſcheint, daß Plinius dieſe Olympias, und nicht die hundert und
fuͤnf und funfzigſte geſetzt gehabt, wenn er berichtet, daß die Kuͤnſte in der-
ſelben wiederum zu bluͤhen angefangen. Denn in der hundert und fuͤnf
und funfzigſten waren die Roͤmer als Feinde in Griechenland; die Kuͤnſte
aber koͤnnen ohne eine beſondere gluͤckliche Anſcheinung niemals empor kom-
men. Bald hernach wurde den Griechen ihre Freyheit durch den Paulus
Aemilius beſtaͤtiget. Die Zeit, in welcher die Kuͤnſte in Griechenland nie-
der gelegen, wird geweſen ſeyn, wie die Zeit vom Raphael und Michael
Angelo bis auf die Caracci. Die Kunſt fiel damals in der Roͤmiſchen
Schule ſelbſt in eine große Barbarey, und auch diejenigen Kuͤnſtler, die
von der Kunſt ſchrieben, als Vaſari und Zuccheri, waren wie mit
Blindheit geſchlagen. Die Gemaͤlde der beyden groͤßten Meiſter in
der Kunſt waren in ihrem voͤlligen Glanze, und im Angeſichte derjeni-
gen gemachet, die, wie ihre Arbeit zeiget, niemals ein aufmerkſames
Auge auf dieſelben gerichtet, und keine einzige alte Statue betrachtet zu
Zu der Zeit, da die Kuͤnſte in Griechenland lagen, und die Werke
derſelben gemishandelt wurden, bluͤheten dieſelben in Sicilien auch in den
groͤßten Unruhen unter dem Koͤnige Agathocles, und im waͤhrenden Krie-
ge deſſelben mit den Carthaginenſern und im erſten Puniſchen Kriege.
Von dieſem Flore der Kunſt zeugen die außerordentlich ſchoͤnen Muͤnzen
gedachten Koͤnigs in Gold und Silber, in verſchiedener Groͤße, welche
insgemein auf der einen Seite einen Kopf der Proſerpina, und auf der an-
dern eine Victoria vorſtellen, die einen Helm auf ein Siegeszeichen ſetzet,
welches Ruͤſtungen auf den Stamm eines Baums gehaͤnget ſind. Dieſer
Flor der Kunſt dauerte auch unter dem Koͤnige Hiero II. zu Syracus: die-
ſer ließ, unter andern großen Werken, das im ganzen Alterthume beruͤhmte
Schiff von zwanzig Reihen Ruder, an jeder Seite, bauen, welches mehr
einem Pallaſte, als einem Schiffe, aͤhnlich war. Es waren Waſſerleitun-
gen, Gaͤrten, Baͤder und Tempel auf demſelben, und in einem Zimmer
war der Fußboden von Muſaico, oder mit kleinen Steinen ausgelegt, wel-
ches die ganze Jlias vorſtellete. Er ſandte dem Roͤmiſchen Volke zu der
Zeit, da Hannibal allenthalben Sieger war, eine Flotte mit Getreyde, und
eine goldene Victorie, welche dreyhundert und zwanzig Pfund wog 1).
Dieſe nahm der Senat an, da derſelbe, obwohl in dem aͤußerſten Mangel,
von vierzig goldenen Schalen, welche die Abgeordneten der Stadt Neapel
brachten, nur eine, und zwar die leichteſte, annahm 2), und diejenigen
goldenen Schalen, welche die Stadt Paͤſtum in Lucanien ſandte, wurden
den Geſandten derſelben mit Dankſagung zuruͤck gegeben 3). Nicht lange
nach den Zeiten des Agathocles, iſt eine Muͤnze der Stadt Segeſta in Si-
cilien gepraͤget, welche einige Aufmerkſamkeit verdienet, nicht ſo wohl in
Jn gedachter Wiederherſtellung der Kuͤnſte in Griechenland, haben
ſich Antheus, Calliſtratus, Athenaͤus, Polycles, der Meiſter des
ſchoͤnen Hermaphrodits, Metrodorus, der Maler und Philoſoph, und
einige andere bekannt gemachet: der ſchoͤne Hermaphrodit in der Villa
Borgheſe koͤnnte fuͤr jenen gehalten werden; ein anderer iſt in der Groß-
herzoglichen Gallerie zu Florenz, und der dritte liegt in den Gewoͤlbern ge-
dachter Villa. Apollonius, des Neſtors Sohn, von Athen, iſt auch
vermuthlich aus dieſer Zeit: denn nach der Form der Buchſtaben ſeines
Namens an dem ſogenannten Torſo im Belvedere, muß er einige Zeit nach
Alexander dem Großen gelebet haben 1).
Auf das aͤußerſte gemishandelt und verſtuͤmmelt, und ohne Kopf,
Arme und Beine, wie dieſe Statue iſt, zeiget ſie ſich noch itzo denen, welche
Der Torſo des Hercules ſcheint eines der letzten vollkommenen Werke
zu ſeyn, welche die Kunſt in Griechenland vor dem Verluſte der Freyheit
hervorgebracht hat. Denn nachdem Griechenland zu einer Roͤmiſchen Pro-
vinz gemachet war, findet ſich bis auf die Zeit der Roͤmiſchen Triumvirate
keine Meldung eines beruͤhmten Kuͤnſtlers dieſer Nation. Die Griechen
aber verlohren die Freyheit einige vierzig Jahre darauf, nachdem ſie vom
Quintus Flaminius fuͤr freye Leute erklaͤret waren, und die Unruhen,
welche die Haͤupter des Achaͤiſchen Bundes erregten, noch mehr aber die
Eiferſucht der Roͤmer uͤber dieſen Bund, waren die Urſachen davon. Die
Roͤmer waren, nach dem Siege uͤber den Koͤnig Perſeus in Macedonien,
Herren von dieſem Reiche geworden, und hatten ſich vor beſagtem Buͤnd-
niſſe der Griechen, ſo wie dieſe vor der Macht der ihnen gefaͤhrlichen Nach-
barn, beſtaͤndig zu fuͤrchten. Da nun die Roͤmer durch den Metellus ver-
gebens geſuchet hatten, in ein gutes Vernehmen mit den Griechen zu tre-
ten, wie uns die Roͤmiſchen Geſchichtſchreiber berichten, ſo kam endlich
Lucius Mummius, ſchlug die Griechen bey Corinth, und nahm dieſe Stadt,
als das Haupt des Achaͤiſchen Bundes, ein, und zerſtoͤrete dieſelbe. Die-
ſes geſchah in der hundert und ſechs und funfzigſten Olympias 1), in eben
dem Jahre, da Carthago erobert wurde. Durch die Pluͤnderung von
Corinth kamen die erſten Werke der Kunſt aus Griechenland ſelbſt, nach
Rom, und Mummius machete durch dieſelben ſeinen Einzug praͤchtig und
merkwuͤrdig: Plinius glaubt 2), der beruͤhmte Bacchus des Ariſtides
ſey das erſte Gemaͤlde, welches damals aus Griechenland nach Rom ge-
bracht worden. Die aͤlteſten und hoͤlzernen Statuen blieben in der verſtoͤ-
reten Stadt; unter dieſen war ein vergoldeter Bacchus, deſſen Geſicht
roth angeſtrichen war 3); ein Bellerophon von Holz, mit den aͤußerſten
Fabretti ſcheint geneigt zu ſeyn zu glauben 4), daß zwo Statuen im
Hauſe Carpegna zu Rom, aus welchen man durch fremde aufgeſetzte
Koͤpfe einen Marcus Aurelius und einen Septimius Severus gemachet,
unter denjenigen Statuen geweſen, welche Mummius aus Griechenland
brachte, weil auf ihrer beyder Baſe M. MVMMIVS COS. ſtand; ohn-
geachtet jener Lucius hieß: die aber die Kunſt verſtehen, finden an denſel-
ben eine Arbeit viel niedriger Zeiten. Jene Baſen ſind vermuthlich verloh-
ren gegangen, da man neue Fuͤße mit neuen Baſen, ohne Jnſchrift, aus
einem Stuͤcke gemachet und ergaͤnzet hat.
Gegen die Menge von Statuen und Gemaͤlden, mit welchen alle
Staͤdte und Orte in Griechenland angefuͤllet waren, waͤre dieſer Raub
endlich zu verſchmerzen geweſen: allein den Griechen muß der Muth gefal-
len ſeyn, auf oͤffentliche Werke der Kunſt Koſten zu verwenden, da die-
ſelben von dieſen Zeiten an den Begierden ihrer Ueberwinder ausgeſetzt wa-
ren; und in der That wurde Griechenland nunmehro ein beſtaͤndiger Raub
der Roͤmer. Marcus Scaurus nahm, als Aedilis, der Stadt Sicyon
alle ihre Gemaͤlde aus Tempeln und oͤffentlichen Gebaͤuden, wegen ruͤck-
ſtaͤndiger Schulden an Rom, und ſie dieneten ihm zu Auszierung ſeines
praͤchtigen Theaters, welches er auf einige Tage bauen ließ 5). Aus Am-
bracia, der Reſidenz der Koͤnige in Epirus, wurden alle Statuen nach
Was von Tempeln, Gebaͤuden und Statuen in Griechenland ge-
machet wurde, geſchah mehrentheils auf Koſten einiger Koͤnige in Syrien,
Aegypten und anderer. Der Koͤniginn Laodice, Koͤnigs Seleucus Toch-
ter, und des Perſeus Gemahlinn, wurde zu Delos eine Statue geſetzt,
fuͤr ihre Freygebigkeit gegen die Einwohner und gegen den Tempel des
Apollo auf dieſer Jnſel. Die Baſe, auf welcher die Jnſchrift iſt, die die-
ſes anzeiget, befindet ſich unter den Arundelliſchen Marmorn 6). Antio-
chus IV. in Syrien ließ verſchiedene Statuen um den Altar des Apollo
gedachten Tempels ſetzen 7).
Daß Antiochus Epiphanes, Koͤnig in Syrien, einen Roͤmiſchen
Baumeiſter, Coſſutius, von Rom nach Athen kommen laſſen, den Tem-
pel des Olympiſchen Jupiters, welcher ſeit des Piſiſtratus Zeit unvollen-
det geblieben war, auszubauen 1), koͤnnte ein Beweis ſcheinen von der
Seltenheit geſchickter Leute in dem ehemaligen Sitze der Kunſt; es kann
aber auch aus Gefaͤlligkeit und Schmeicheley gegen die Roͤmer geſchehen
ſeyn. Jn eben der Abſicht ſcheint Koͤnig Ariobarzanes Philopator II. in
Cappadocien, zween Roͤmiſche Baumeiſter, den Cajus Stallius, und
deſſen Bruder Marcus, nebſt einem Griechen, Menalippus, genommen
zu haben, da er den Athenienſern das Odeum wieder aufbauen ließ, wel-
ches Ariſtion, des Mithradates Feldherr, in der Belagerung des Sylla
zum Theil hatte niederreißen laſſen 2).
Jn Aſien, und an dem Hofe der Koͤnige in Syrien, ergieng es der
Griechiſchen Kunſt, wie wenn ein Licht, ehe es aus Mangel der Nahrung
verloͤſchet, vorher in eine helle Flamme auflodert, und alsdenn verſchwin-
det. Antiochus IV. der juͤngere Sohn Antiochus des Großen, welcher ſei-
nem aͤltern Bruder Seleucus IV. in der Regierung folgete, liebete die Ru-
he, und ſuchete ſeine Tage wolluͤſtig zu genießen: die Kunſt und die Unter-
redung mit den Kuͤnſtlern war ſeine vornehmſte Beſchaͤftigung; er ließ nicht
allein fuͤr ſich, ſondern auch fuͤr die Griechen arbeiten. Jn dem Tempel
des Jupiters zu Antiochia, welcher ohne Decke geblieben war, ließ er die-
ſelbe vergoldet machen, und alle Mauern inwendig mit vergoldeten Ble-
chen belegen 3), und in demſelben ließ er eine Statue der Gottheit, in der
Groͤße des Olympiſchen Jupiters des Phidias, ſetzen 4). Den Tempel
des Olympiſchen Jupiters zu Athen, der einzige, welcher, wie die Alten
ſagen, der Groͤße des Jupiters anſtaͤndig war, ließ er praͤchtig ausbauen,
Jn Kleinaſien blieben die Koͤnige in Bithynien und zu Pergamus
große Befoͤrderer der Griechiſchen Kunſt, nachdem dieſelbe bereits in Sy-
rien gefallen war: Attalus und Eumenes, deſſen Bruder, ſuchten ſich die
Griechen durch große Freygebigkeiten zu verbinden, und jenem errichtete die
Stadt Sicyon aus Dankbarkeit eine Coloſſaliſche Statue, neben einem
Apollo, auf dem oͤffentlichen Platze der Stadt 2). Dieſer hatte ſich in
Griechenland dermaßen beliebt gemachet, daß ihm die mehreſten Pelopon-
neſiſchen Staͤdte Saͤulen aufrichteten 3). Zu Pergamus ließen dieſe Koͤ-
nige eine große Bibliothek anlegen; es wurden aber auch von den Gelehr-
ten an dieſem Hofe untergeſchobene Schriften unter dem falſchen Namen
aͤlterer Scribenten geſchmiedet, und die Gelehrten in Alexandrien ſtritten
mit jenen um den Vorzug in dieſem Betruge 4). Man ſollte beynahe hier-
aus ſchließen, daß auch in der Kunſt mehr Copien, als eigene urſpruͤngli-
che Werke, hervor gebracht worden.
Jn Aegypten hatte die Kunſt und Gelehrſamkeit unter den drey er-P.
Ende der
Griechiſchen
Kunſt in Ae-
gypten, und
Widerlegung
des Vaillant
und anderer.
ſten Ptolemaͤern gebluͤhet, und ſie waren beſorget, auch die Werke der Ae-
gyptiſchen Kunſt zu erhalten. Ptolemaͤus Evergetes ſoll, nach ſeinem
Siege wider den Koͤnig in Syrien Antiochus Theos, zwey tauſend fuͤnf
hundert Statuen nach Aegypten gebracht haben, unter welchen viele wa-
ren, welche Cambyſes aus Aegypten weggefuͤhret hatte 1). Die hundert
Baumeiſter, welche deſſen Sohn und Nachfolger Philopator, nebſt un-
glaublichen Geſchenken, der Stadt Rhodus, die durch ein Erdbeben ſehr
gelitten hatte, zu ſandte 2), koͤnnen von der Menge der Kuͤnſtler an dieſem
Hofe zeugen. Aber die Nachfolger des Evergetes waren alle, den einzigen
Philometor ausgenommen, unwuͤrdige Prinzen, und wuͤtheten wider ihr
Reich, und wider ihr eigenes Gebluͤt, und Aegypten gerieth in die aͤußer-
ſte Verwirrung. Theben wurde unter dem Lathyrus, dem fuͤnften Koͤ-
nige nach dem Epiphanes, beynahe zerſtoͤret, und ſeiner Herrlichkeit be-
raubet, und dieſes war der Anfang der Vernichtung ſo vieler Denkmale
der Aegyptiſchen Kunſt.
Die Griechiſchen Kuͤnſte hatten ſich, wiewohl ſie von ihrem erſten
Glanze in dieſem Reiche ſehr abgefallen, dennoch bis unter dem Vater letzt-
gedachten Koͤnigs, dem Ptolemaͤus Phyſcon, dem ſiebenten Koͤnige in Ae-
gypten, erhalten. Unter dieſem Tyrannen aber verließen faſt alle Gelehrte
und Kuͤnſtler Aegypten, in der grauſamen Verfolgung, welche er nach ſei-
ner Ruͤckkunft ins Reich, aus welchem er gefluͤchtet war, wider die Stadt
Alexandrien ausuͤbete, und begaben ſich nach Griechenland 3)
. Mit dieſer
Die Kunſt fieng alſo von neuem an, ihren Sitz in Griechenland zu
nehmen, und zu bluͤhen: denn die Roͤmer ſelbſt wurden Befoͤrderer derſel-
ben unter den Griechen, und ließen in Athen Statuen fuͤr ihre Luſthaͤuſer
arbeiten, wie wir vom Cicero wiſſen, dem Atticus dieſelben fuͤr ſein Tu-
ſculanum beſorgete, unter welchen Hermen von Penteliſchem Marmor mit
Koͤpfen von Erzt waren 2): der eingefuͤhrte Pracht in Rom, war eine
Quelle zum Unterhalte der Kuͤnſtler auch in den Provinzen. Denn ſogar
die Geſetze verſtatteten den Proconſuls und Praͤtors, ihrem Namen zu Eh-
ren, ja ihnen ſelbſt geweihete Tempel in den Laͤndern ihrer Statthalter-
ſchaft erbauen zu laſſen 3), wozu die dem Scheine nach bey ihrer Freyheit
geſchuͤtzten Griechen die Koſten aufbringen mußten. Pompejus hatte
Durch die aus Aegypten gefluͤchteten Kuͤnſtler, ſcheint der ſogenann-
te Aegyptiſche Stil in der Griechiſchen Kunſt, uͤber welchen ich in dem Er-
ſten Theile dieſer Schrift eine Muthmaßung gewaget habe, eingefuͤhret zu
ſeyn: die Stadt Alexandria ruͤhmete ſich, daß von ihr die Kuͤnſte ausge-
gangen, und von neuem zu den Griechen und zu andern Voͤlkern gekom-
men ſeyn 3). Syracus aber muß beſtaͤndig fort ſehr vorzuͤgliche Kuͤnſtler,
auch nach der Eroberung, gehabt haben, weil Verres, welcher die ſchoͤnſten
Werke an allen Orten aufſuchte, vornehmlich zu Syracus an Vaſen ar-
beiten ließ: er hatte in dem alten Pallaſte der Koͤnige eine Werkſtatt an-
geleget, wo acht ganze Monathe alle Kuͤnſtler, theils Vaſen zu zeichnen,
theils ſie zu gießen und zu ſchnitzen, beſchaͤftiget waren; und es wurde nicht
anders, als in Golde, gearbeitet.
Die Ruhe, welche die Kuͤnſte einige Jahre in Griechenland genoſſenR.
Nachtheil der-
ſelben durch
die Mithrida-
tiſchen Krie-
ge, und Ver-
ſtoͤrung von
Griechenland,
und in Groß-
griechenland
und Sicilien.
hatten, wurde von neuem in dem Mithridatiſchen Kriege geſtoͤret, in wel-
chem die Athenienſer die Parthey des Koͤnigs in Pontus wider die Roͤmer
ergriffen. Dieſe Stadt hatte von den großen Jnſeln im Aegeiſchen Meere,
welche ſie ehemals beherrſchete, nur allein die einzige kleine Jnſel Delos
uͤbrig behalten; aber auch dieſe hatten die Athenienſer kurz zuvor verlohren,
und Archelaus, des Mithridates Feldherr, machte ihnen dieſelbe von
neuem unterwuͤrfig 4). Athen war durch Partheyen zerruͤttet, und damals
Jn den uͤbrigen Gegenden von Griechenland waren allenthalben trau-
rige Spuren der Verſtoͤrung. Theben, die beruͤhmte Stadt, die ſich nach
ihrer Verheerung durch den Alexander wieder erholet hatte, war, außer
Großgriechenland und Sicilien waren um dieſe Zeit in eben ſo klaͤgli-
che Umſtaͤnde geſetzet. Von ſo vielen maͤchtigen und beruͤhmten Staͤdten,
war zu Anfang der Roͤmiſchen Monarchie nur Taranto und Brunduſium
in einigem Flor 6). Die Einwohner zu Croton, deren Mauern zwoͤlf Mi-
lien im Umkreiſe hatten, welche ſich uͤber eine Million erſtrecketen, waren
in dem zweyten Puniſchen Kriege auf zwanzig tauſend herunter gebracht 7).
Kurz vor dem Kriege mit dem Koͤnige Perſeus in Macedonien, ließ der
Cenſor Quintus Fulvius Flaccus den beruͤhmten Tempel der Juno Laci-
nia, ohnweit gedachter Stadt, abdecken, und fuͤhrete die Ziegel deſſelben,
welche von Marmor waren, nach Rom, um den Tempel der Fortuna
Equeſtris mit denſelben zu belegen 8). Er mußte dieſelben aber, da es
in Rom kund wurde, woher er ſie genommen, wieder zuruͤck ſchaffen.
Jn Sicilien ſah man damals, von dem Vorgebuͤrge Lilybaͤum an,
bis an das Vorgebuͤrge Pachynum, von einem Ende der Jnſel zum an-
dern, nur Truͤmmer der ehemaligen bluͤhenden Staͤdte 9): Syracus aber
wurde noch itzo fuͤr die ſchoͤnſte Griechiſche Stadt gehalten, und da Mar-
cellus in der Eroberung dieſelbe von einem erhabenen Orte uͤberſah, konnte
Der abermalige Fall des Flors der Kunſt in Griechenland, ſchließt
indeſſen dieſelbe in einigen einzelnen Kuͤnſtlern nicht aus. Denn zu Julius
Caͤſars Zeiten, machte ſich in der Bildhauerey Strongylion beruͤhmt 3),
der Meiſter der Amazone, mit den ſchoͤnen Beinen zubenamet, welche
A.
Unter dem
Caͤſar.Nero allenthalben mit ſich fuͤhrete; er machete auch die Statue des jungen
Menſchen, welchen Brutus liebte. Jn der Malerey war es Timoma-
a.
Namhafte
Kuͤnſtler.chus, deſſen Gemaͤlde Ajax und Medea vom Caͤſar mit achtzig Talenten be-
zahlet, und in dem von ihm erbaueten Tempel der Venus aufgehaͤnget
wurden 4). Vor demſelben ſtand des Caͤſars Statue zu Pferde, und es
ſcheint aus einer Stelle des Statius 5), daß das Pferd von der Hand des
beruͤhmten Lyſippus geweſen, und alſo aus Griechenland weggefuͤhret
worden. Es bluͤhete Arceſilaus 6), der Freund des Lucullus, deſſen
Modelle von andern Kuͤnſtlern theuerer, als anderer Meiſter geendigte
Werke, bezahlet wurden; er arbeitete eine Venus fuͤr den Caͤſar, die ihm,
ehe er die letzte Hand an dieſelbe geleget hatte, aus den Haͤnden genommen,
b.
Werke der
Kunſt aus die-
ſer Zeit.und in Rom aufgeſtellet wurde. Ferner ſind Paſiteles, Poſidonius,
Ladus und Zopyrus bekannt. Eine große und ſchoͤne Statue des Ne-
ptunus, welche vor wenig Jahren, nebſt einer ſogenannten Juno, zu
[fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt] …
Der Name der Perſon, welche eine Statue machen ließ, war zuweilen,
nebſt dem Namen des Kuͤnſtlers, an derſelben geſetzet 1). Pauſanias mel-
det 2), daß jemand aus Corinth, nach Wiederherſtellung der Stadt, eine
Statue Alexanders des Großen, in Geſtalt eines Jupiters, zu Elis neben
dem Tempel des Jupiters, aufrichten laſſen.
Es finden ſich in verſchiedenen Muſeis Koͤpfe, welche den Namen
Caͤſar fuͤhren, und kein einziges gleichet voͤllig den Koͤpfen auf deſſen Muͤn-
zen; es will daher der erfahrenſte Kenner der Alterthuͤmer, der Erhabenſte
Cardinal Alex. Albani, zweifeln, ob ſich wahrhafte Koͤpfe des Caͤſars
erhalten haben. Eine große Thorheit aber iſt es in allen Faͤllen, vorzuge-
ben, daß ein Buſto in dem Muſeo des Cardinals Polignac als ein Einzi-
ges Stuͤck anzuſehen ſey, und nach dem Leben gearbeitet worden 3).
Bey dieſer Gelegenheit merke ich von den zehen Statuen eben dieſes Mu-
ſei an, welche letztgedachter Cardinal ohnweit Fraſcati ausgraben ließ, daß
Nachdem endlich Rom und das Roͤmiſche Reich ein einziges Ober-
haupt und Monarchen erkannte, ſetzten ſich die Kuͤnſte in dieſer Stadt, wie
in ihrem Mittelpunkte, und die beſten Meiſter in derſelben wandten ſich
hierher, weil in Griechenland wenig zu thun und zu arbeiten Gelegenheit
war. Athen wurde, nebſt andern Staͤdten, weil ſie es mit dem Anto-
nius gehalten, ihrer vorzuͤglichen Rechte beraubet 2); Eretrien und Aegina
wurden den Athenienſern abgenommen, und wir finden nicht, daß ſie we-
gen des Tempels, welchen ſie dem Auguſtus gebauet, und wovon das Do-
riſche Portal noch uͤbrig iſt 3), gnaͤdiger angeſehen worden. Gegen das
Ende ſeiner Regierung wollten ſie ſich empoͤren, wurden aber bald zum
Gehorſam gebracht.
Auguſtus, welchen Livius den Erbauer und Wiederherſteller allerB.
Unter dem
Auguſtus, und
von deſſen
Werken.
Tempel nennet, kaufte ſchoͤne Statuen der Goͤtter, welche er auf den Plaͤ-
tzen, und ſo gar auf den Straaßen in Rom ſetzen ließ 1), und er ſetzte die
Statuen aller großen Roͤmer, die ihr Vaterland empor gebracht hatten,
als Triumphirende vorgeſtellet, in dem Portico ſeines Fori, und welche
ſchon vorhanden waren, wurden wieder ausgebeſſert 2): es war unter den-
ſelben auch die Statue des Aeneas mit gerechnet 3). Es ſcheint aus einer
Jnſchrift, welche ſich in dem Grabmale der Livia gefunden 4), daß er uͤber
dieſe oder uͤber andere Statuen einen Aufſeher beſtellet habe.
Die ſtehende Statue des Auguſtus im Campidoglio, welche ihn ina.
Deſſen Sta-
tuen und der
Livia.
ſeiner Jugend vorſtellet, und mit einem Steuerruder zu den Fuͤßen, als
eine Deutung auf die Schlacht bey Actium, iſt mittelmaͤßig. Eine vorge-
gebene ſitzende Statue mit dem Kopfe deſſelben im Campidoglio, haͤtte gar
nicht ſollen angefuͤhret werden 5); die in Buͤchern geprieſene Livia, oder,
wie andere wollen 6), Sabina, des Hadrians Gemahlinn, in der Villa
Mattei, iſt als die Tragiſche Muſe Melpomene vorgeſtellet, wie der Co-
thurnus anzeiget. Maffei 7) redet von einem Kopfe des Auguſtus mit
einer Corona civica, oder von Eichenlaub, in dem Muſeo Bevilacqua zu
Verona, und er zweifelt, daß ſich anderwerts dergleichen Kopf deſſelben
finde: er haͤtte koͤnnen Nachricht haben von einem ſolchen Kopfe des Augu-
ſtus in der Bibliothek zu St. Marco in Venedig 8). Jn der Villa Albani
ſind drey verſchiedene Koͤpfe des Auguſtus mit einem Kranze von Eichen-
laub, und ein ſchoͤner Coloſſaliſcher Kopf der Livia.
Zwo liegende Weibliche Statuen, eine im Belvedere, die andere in
der Villa Medicis, fuͤhren den Namen der Cleopatra, weil man das Arm-
band derſelben fuͤr eine Schlange angeſehen, und ſtellen etwa ſchlafende
Nymphen, oder die Venus vor, wie dieſes ſchon ein Gelehrter der vori-
gen Zeit eingeſehen 1). Folglich ſind es keine Werke, aus welchen von der
Kunſt unter dem Auguſtus zu ſchließen waͤre; unterdeſſen ſagt man, es ſey
Cleopatra in einer aͤhnlichen Stellung todt gefunden worden 2). Der
Kopf an der erſtern hat nichts beſonders, und er iſt in der That etwas
ſchief; der Kopf an der andern, aus welchem einige ein Wunder der Kunſt
machen, und ihn mit einem der ſchoͤnſten Koͤpfe im Alterthume verglei-
chen 3), iſt nicht allein ein ſehr niedriges Jdeal, ſondern er iſt ungezweifelt
neu. Jn dem Pallaſte Odeſcalchi war eine jenen aͤhnliche Figur, mehr
als Lebensgroͤße, wie die vorigen Statuen, welche, nebſt den uͤbrigen Sta-
tuen dieſes Muſei, nach Spanien gegangen iſt.
Von geſchnittenen Steinen finden ſich einige ſchoͤn gearbeitete Stuͤcke
des Dioſcorides, der die Koͤpfe des Auguſtus, mit welchen dieſer zu ſie-
geln pflegte, ſchnitt 4). Ein anderer beruͤhmter Kuͤnſtler im Steinſchnei-
den war Solon, von welchem wir, unter andern Steinen, den vermeyn-
ten Kopf des Maͤcenas, die beruͤhmte Meduſa, einen Diomedes und Cu-
pido haben 5). Außer dieſen bekannt gemachten Steinen, iſt in dem Sto-
ſchiſchen Muſeo einer der ſchoͤnſten Koͤpfe des Hercules, die jemals in Stein
geſchnitten ſind 6); und der Verfaſſer beſitzet einen zerbrochenen ſchoͤnen
Carniol, welcher eine Victoria, die einen Ochſen opfert, vorſtellete; die
Victoria hat ſich, nebſt dem Namen [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt], unbeſchaͤdigt erhalten.
Allein wir haben vielleicht noch ein beſſeres Denkmal eines Griechi-d.
Von einer Ca-
ryatide des
Diogenes zu
Athen.
ſchen Meiſters von Auguſtus Zeit: denn nach aller Wahrſcheinlichkeit iſt
noch eine von den Caryatiden des Diogenes von Athen, welche im Pan-
theon ſtunden, uͤbrig; ſie ſtehet unerkannt in dem Hofe des Pallaſtes Far-
neſe. Es iſt die Haͤlfte einer Maͤnnlichen unbekleideten Figur bis auf das
Mittel, ohne Arme: ſie traͤgt auf dem Kopfe eine Art eines Korbes, wel-
cher nicht mit der Figur aus einem Stuͤcke gearbeitet iſt; an dem Korbe
bemerket man Spuren von etwas Hervorragendem, und allem Anſehen
nach ſind es vorgeſtellete Blaͤtter geweſen, welche denſelben bekleidet haben,
auf eben die Art, wie ein ſolcher bewachſener Korb einem Callimachus
das Bild zu einem Corinthiſchen Capitaͤl ſoll gegeben haben. Dieſe halbe
Figur hat etwa acht Roͤmiſche Palme, und der Korb drittehalb: es iſt al-
ſo eine Statue geweſen, die das wahre Verhaͤltniß zu der Attiſchen Ord-
nung im Pantheon hat, welche etwa neunzehen Palme hoch iſt. Was ei-
nige Scribenten bisher fuͤr dergleichen Caryatiden angeſehen haben 2), zeu-
get von ihrer großen Unwiſſenheit.
Von einem Werke in der Baukunſt außer Rom von Auguſtus Zei-e.
Von Werken
der Baukunſt
unter dem Au-
guſtus.
ten, kann man zwar nicht auf die damalige Baukunſt uͤberhaupt ſchließen;
es verdienet aber die Ausſchweifung angemerket zu werden. Es iſt ein
Tempel zu Melaſſo in Carien 3), dem Auguſtus und der Stadt Rom zu
Ehren gebauet, wie die Jnſchrift auf dem Gebaͤlke anzeiget. Saͤulen von
Roͤmiſcher Ordnung am Portale, Joniſche Saͤulen auf den Seiten, und
der Fuß derſelben mit geſchnitzten Blaͤttern nach Art eines Capitaͤls, ſind
Von Kuͤnſtlern, welche ſich unter der Regierung der naͤchſten Nach-
folger beruͤhmt gemacht haben, findet ſich kaum einige Meldung ihres Na-
mens. Unter dem Tiberius, welcher wenig bauen ließ 5), wuͤrden die
Kuͤnſtler auch ſehr ſchlecht geſtanden ſeyn, und da er in allen reichen Pro-
Caligula, auf deſſen Befehl die Statuen beruͤhmter Maͤnner, dieD.
Unter dem
Caligula.
Auguſtus im Campo Marzo ſetzen ließ, niedergeriſſen und zerſchlagen wur-
den 7); der von den ſchoͤnſten Statuen der Goͤtter die Koͤpfe abreiſſen, und
an deren Stelle ſein Bildniß ſetzen ließ 8); ja der den Homerus vertilgen
und vernichten wollte 9), kann nicht als ein Befoͤrderer der Kuͤnſte ange-
ſehen werden.
Was Claudius fuͤr ein Kenner geweſen, zeigen die Koͤpfe des Augu-
ſtus, welche er anſtatt der ausgeſchnittenen Koͤpfe Alexanders des Großen,
in zwey Gemaͤlde ſetzen ließ 1). Er ſuchte ein Beſchuͤtzer der Gelehrten zu
heißen, und erweiterte in dieſer Abſicht das Muſeum, oder die Wohnung
der Gelehrten, zu Alexandria 2). Seine Ehrbegierde beſtand in dem Ruh-
me, ein anderer Cadmus zu heißen, durch Erfindung neuer Buchſtaben,
und er brachte das umgekehrte Ⅎ in Gebrauch. Das ſchoͤne Bruſtbild die-
ſes Kaiſers, welches alle Fratocchie gefunden wurde 3), kam durch den
Cardinal Girolamo Colonna nach Spanien. Als Madrid von der Oe-
ſterreichiſchen Parthey eingenommen wurde, ſuchte Lord Galloway daſſel-
be, und er erfuhr, daß es im Eſcurial war, wo es als das groͤßte Gewicht
der Kirchenuhr angehaͤnget gefunden wurde: er fuͤhrete es alſo mit ſich
nach Engeland.
Nero bezeugete gegen alles, was die ſchoͤnen Kuͤnſte angeht, eine aus-
gelaſſene Begierde; allein er war wie der Geiz, welcher nur zu ſammeln,
a.
Umſtaͤnde von
Griechenland.nicht hervorzubringen ſuchet, und von ſeinem uͤbeln Geſchmacke kann eine
Statue Alexanders des Großen, von der Hand des Lyſippus, zeugen, wel-
che er vergolden ließ 4): von derſelben wurde das Gold wiederum abgenom-
men, weil ſie viel dadurch verlohren hatte. Es gehoͤren auch ſeine gereim-
ten Verſe hierher 5). Es ſcheint, daß die guten Kuͤnſtler immer ſeltener
geworden, weil Nero den Zenodorus, aus Gallien, wo er eine Statue
des Mercurius gemachet hatte, nach Rom kommen ließ, ſeine Coloſſali-
ſche Statue in Erzt zu arbeiten 6). Jn Griechenland waren die Umſtaͤnde
fuͤr die Kuͤnſte wenig vortheilhaft: denn obgleich Nero die Griechen, ſo
viel ihm moͤglich war, ihre vorige Freyheit ſuchte genießen zu laſſen, ſo
Nero war vollends unerſaͤttlich, und ſandte in dieſer Abſicht den Acra-b.
Weggefuͤhrte
Statuen aus
Griechenland,
unter welchen
vermuthlich
war
tus, einen frevelhaften Freygelaſſenen, und einen Halbgelehrten, den Se-
cundus Carinas, nach Griechenland, welche alles, was ihnen gefiel, fuͤr
den Kaiſer ausſucheten. Aus dem Tempel des Apollo zu Delphos allein,
wurden fuͤnfhundert Statuen von Erzt genommen 4), und ſchon vorher
waren viele Statuen aus demſelben weggefuͤhret 5). Es iſt glaublich, daß
Apollo im Belvedere, und der ſogenannte Fechter vom Agaſias aus Ephe-
ſus, in der Villa Borgheſe, mit unter dieſen Statuen geweſen 6). Denn
Die Statue des Apollo iſt das hoͤchſte Jdeal der Kunſt unter allen
Werken des Alterthums, welche der Zerſtoͤrung derſelben entgangen ſind.
Der Kuͤnſtler derſelben hat dieſes Werk gaͤnzlich auf das Jdeal gebauet,
und er hat nur eben ſo viel von der Materie dazu genommen, als noͤthig
war, ſeine Abſicht auszufuͤhren und ſichtbar zu machen. Dieſer Apollo
uͤbertrift alle andere Bilder deſſelben ſo weit, als der Apollo des Homerus
den, welchen die folgenden Dichter malen. Ueber die Menſchheit erhaben
iſt ſein Gewaͤchs, und ſein Stand zeuget von der ihn erfuͤllenden Groͤße.
Ein ewiger Fruͤhling, wie in dem gluͤcklichen Elyſien, bekleidet die reizen-
de Maͤnnlichkeit vollkommener Jahre mit gefaͤlliger Jugend, und ſpielet
mit ſanften Zaͤrtlichkeiten auf dem ſtolzen Gebaͤude ſeiner Glieder. Gehe
mit deinem Geiſte in das Reich unkoͤrperlicher Schoͤnheiten, und verſuche
ein Schoͤpfer einer Himmliſchen Natur zu werden, um den Geiſt mit Schoͤn-
heiten, die ſich uͤber die Natur erheben, zu erfuͤllen: denn hier iſt nichts
Sterbliches, noch was die Menſchliche Duͤrftigkeit erfordert. Keine Adern
noch Sehnen erhitzen und regen dieſen Koͤrper, ſondern ein Himmliſcher
Geiſt, der ſich wie ein ſanfter Strohm ergoſſen, hat gleichſam die ganze
Umſchreibung dieſer Figur erfuͤllet. Er hat den Python, wider welchen er
zuerſt ſeinen Bogen gebraucht, verfolget, und ſein maͤchtiger Schritt hat
ihn erreichet und erleget. Von der Hoͤhe ſeiner Genugſamkeit geht ſein er-
habener Blick, wie ins Unendliche, weit uͤber ſeinen Sieg hinaus: Ver-
Der Borgheſiſche ſogenannte Fechter, welcher, wie ich angezeiget
habe, mit dem Apollo an einem Orte gefunden worden, ſcheint nach der
Form der Buchſtaben die aͤlteſte von den gegenwaͤrtigen Statuen in Rom
zu ſeyn, auf welchen ſich der Meiſter derſelben angegeben hat. Wir haben
keine Nachricht vom Agaſias, dem Meiſter derſelben, aber deſſen Werk
verkuͤndiget ſeine Verdienſte. So wie im Apollo und im Torſo ein ho-
hes Jdeal allein, und im Laocoon die Natur mit dem Jdeal und mit dem
Ausdrucke erhoͤhet und verſchoͤnert worden, ſo iſt in dieſer Statue eine
Sammlung der Schoͤnheiten der Natur in vollkommenen Jahren, ohne
Zuſatz der Einbildung. Jene Figuren ſind wie ein erhabenes Heldenge-
dicht, von der Wahrſcheinlichkeit uͤber die Wahrheit hinaus bis zum Wun-
derbaren gefuͤhret: dieſe aber iſt wie die Geſchichte, in welcher die Wahr-
heit, aber in den ausgeſuchteſten Gedanken und Worten, vorgetragen wird.
Das Geſicht zeiget ausgenſcheinlich, daß deſſen Bildung nach der Wahrheit
der Natur genommen iſt: denn es ſtellet einen Menſchen vor, welcher nicht
mehr in der Bluͤte ſeiner Jahre ſteht, ſondern das Maͤnnliche Alter errei-
chet hat, und es entdecken ſich in demſelben die Spuren von einem Le-
ben, welches beſtaͤndig beſchaͤftigt geweſen, und durch Arbeit abgehaͤr-
tet worden 2)
.
Alle andere Statuen, welche Nero aus Griechenland fuͤhren ließ,
dieneten, deſſen ſogenannten goldenen Pallaſt auszuzieren 1). Jn dem
großen Brande von Rom, vor Auffuͤhrung dieſes Gebaͤudes, in welchem
von vierzehen Viertheilen der Stadt nur vier unbeſchaͤdigt blieben, gien-
gen zugleich unendlich viel Werke der Kunſt zu Grunde 2); und da ſich
ſehr viele Spuren von alten Ergaͤnzungen finden, ſo koͤnnten viele von den
beſchaͤdigten und zerſtuͤmmelten Werken damals gelitten haben. An dem
beruͤhmten Torſo im Belvedere ſieht man das Geſaͤß hinten rauh behauen,
wie bey Ergaͤnzungen geſchehen muß, und auch die Eiſen, das angeſetzte
Theil an das Alte zu befeſtigen. Es iſt beſonders, daß unter dem Nero
zuerſt auf Leinewand gemalet worden, bey Gelegenheit ſeiner Figur von
hundert und zwanzig Fuß hoch, und daß dieſer Prinz, welcher naͤrriſch
verliebt war in alles, was Griechiſch hieß, ſeinen Pallaſt durch einen Roͤ-
miſchen Kuͤnſtler Amulius ausmalen ließ 3).
Von dem Stile der Kuͤnſtler, die unter dieſem Kaiſer gebluͤhet haben,c.
Koͤpfe des Ne-
ro, und Sta-
tuen der A-
grippina, und
anderer.
koͤnnen wir aus ihren Werken nicht urtheilen: denn es ſind wenige, oder
gar keine uͤbrig. Die wahren Koͤpfe des Nero ſind ſehr ſelten, und an dem
im Campidoglio iſt nur das Untertheil des Geſichts alt: in dem erhabenen
Nach ſo ſchaͤndlichen Menſchen, die den Thron beſeſſen hatten, kam
endlich Veſpaſianus, deſſen Regierung bey aller ſeiner Sparſamkeit fuͤr die
Mit Griechenland kam es endlich unter dem Veſpaſianus ſo weit, daßa.
Umſtaͤnde von
Griechenland.
es zu einer Roͤmiſchen Provinz erklaͤret wurde, und die Athenienſer verloh-
ren ſogar ihr kleines bisher erhaltenes Vorrecht, Muͤnzen ohne Bildniß des
Kaiſers ſchlagen zu duͤrfen 4). Unter dem Domitianus ſcheinen die Grie-
chen gnaͤdiger angeſehen worden zu ſeyn: denn da ſich unter dem Veſpaſia-
nus und Titus keine Muͤnzen von Corinth finden 5), ſo iſt hingegen von
dieſer Stadt unter dem Domitianus eine große Anzahl auch von der groͤße-
ren Form uͤbrig. Es iſt merkwuͤrdig, was Plutarchus berichtet 6), daß
die Saͤulen vom Penteliſchen Marmor, welche Domitianus fuͤr den Roͤ-
Von Werken der Kunſt unter dieſem Kaiſer, hat ſich noch das groͤß-
te Theil des Portals von dem Tempel der Pallas erhalten: die zum Theil
uͤber ihre Haͤlfte erhabene Figuren der Friſe, ſind nach Santes Bartoli
Zeichnung geſtochen. Die Pallas, ebenfalls erhaben gearbeitet, welche in
der Mitten uͤber dem Gebaͤlke der Saͤulen ſteht, verliert durch die Naͤhe,
in welcher man ſie itzo ſieht, da das Pflaſter bis an die Haͤlfte der Saͤulen
erhoͤhet iſt, und ſie ſieht gegen die gehaͤuften Zierrathen des Gebaͤlks nur
wie entworfen aus. Jm Campidoglio iſt ein ſchoͤner Kopf vom Domitia-
nus, was aber Montfaucon von deſſen Statue im Pallaſte Giuſtiniani
ſagt 1), iſt falſch: er behauptet, es habe dieſelbe nicht den geringſten Scha-
den gelitten, und es ſey die einzige von den Statuen dieſes Kaiſers, die
der Rache des Roͤmiſchen Raths, welcher alle Bildniſſe deſſelben zu vertil-
gen beſchloſſen, entgangen ſey. Es ſcheint, man halte die Giuſtinianiſche
Statue fuͤr diejenige, welche auf Bitten deſſen Gemahlinn ihr zugeſtanden
worden 2): dieſe aber war von Erzt, und ſtand noch auf dem Capitolio zu
Procopius Zeiten, und jene iſt von Marmor. Hernach iſt es falſch, daß
dieſe nicht gelitten: denn ſie iſt unter der Bruſt entzwey gebrochen geweſen,
und die Arme ſind neu; es iſt auch zweifelhaft, ob der Kopf zur Statue
gehoͤret. Montfaucon hat Luſt, etwas zu reden uͤber die Figuren auf
dem Harniſche derſelben, allein aus dem unrichtigen Kupfer, welches er
vor Augen hatte, konnte er nichts ſicheres beybringen. Dasjenige, was
Maffei fuͤr eine Sirene haͤlt mit einem Fiſchſchwanze, und was jenem an-
ders ſcheint, iſt dergleichen; aber man haͤtte ſie eine Nereide nennen ſollen:
denn die Sirenen haben Voͤgelfuͤße. Die mittelſte Figur, welche mit ei-
Jm Fruͤhlinge des Jahres 1758. wurde eine ungezweifelte Statue desc.
Von einer
Statue des
Domitianus,
und von einem
Kopfe des
Nerva.
Domitianus gefunden, an einem Orte, welcher alla Colonna heißt, und
zwiſchen Fraſcati und Paleſtrina liegt, und eben da, wo kurz zuvor eine
Venus entdecket wurde. Der Leib bis auf die Knie, und ohne Arme,
hatte nicht tief unter der Erde gelegen, und war daher ſehr zerfreſſen, und
man ſah an demſelben offenbare Zeichen veruͤbter Gewaltſamkeit, Hiebe im
Kreuze, und tiefe Stoͤße, woraus zu muthmaßen iſt, daß auch dieſe Sta-
tue in der Wuth wider das Andenken des Domitianus umgeworfen und
zerſchlagen worden: denn es wurde ſogar deſſen Name, wo ſich derſelbe auf
Jnſchriften fand, ausgehauen und vertilget 1). Der abgeloͤſete Kopf
wurde viel tiefer gefunden, und er hat daher weniger gelitten. Dieſe Sta-
tue iſt unbekleidet, und von großer Schoͤnheit. Um den Kopf gieng eine
Krone von Erzt, von welcher man die Stifte ſieht, an welcher ſie befeſti-
get war. Der Herr Cardinal Alex. Albani hat dieſelbe ergaͤnzen laſſen,
und ſie ſteht, nebſt andern Kaiſerlichen Statuen, unter dem groͤßern Por-
tico des Pallaſtes in deſſen Villa. Der ſeltene Kopf des Nerva im Cam-
pidoglio, iſt nicht neu und vom Algardi gearbeitet, wie der Erklaͤrer dieſes
M .... ANTONINO
COLONIA. PVTEOLANA.
Unter dem Trajanus bekam Rom und das ganze Reich ein neues Le-
ben 2), und er fieng an, nach ſo vielen Unruhen durch die großen Wer-
ke, welche er unternahm, die Kuͤnſtler aufzumuntern. Die Ehre einer
Statue, welche er ſich nicht allein, mit Ausſchließung anderer, anmaßete,
ſondern mit wohlverdienten Maͤnnern theilete 3), kann der Kunſt ſehr be-
foͤrderlich geweſen ſeyn; ja wir finden, daß jungen Leuten von großer Hof-
nung Statuen nach ihrem Tode geſetzet wurden 4). Es ſcheint, daß eine
ſitzende Senatoriſche Statue in der Villa Ludoviſi von einem Zeno des At-
tis Sohn, aus Aphrodiſium 5), gemachet, von dieſer Zeit ſey, und
man koͤnnte glauben, daß ſich damals eine Schule der Kunſt an beſagtem
Orte in Carien, (wenn man den bekannteſten unter vielen andern gleiches
Namens nimmt,) aufgethan, wegen verſchiedener Namen Aphrodiſiſcher
Kuͤnſtler, welche ſich erhalten haben 6). Ein anderer Zeno, aus Sta-
[fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt].
[fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt] .......
[fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt]
Das groͤßte Werk von Trajanus Zeiten, iſt deſſen Saͤule, welche
mitten auf dem Platze ſtand, den er durch den Apollodorus von Athen
bauen ließ. Hat jemand Gelegenheit, die Figuren auf derſelben in Gips
geformet zu betrachten, ſo wird er erſtaunen uͤber die unendliche Verſchie-
denheit in ſo viel tauſend Koͤpfen an derſelben. Jm ſechzehenten Jahr-
hunderte war noch der Kopf uͤbrig von der Coloſſaliſchen Statue dieſes
… [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt]
… [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt]
… [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt].
Die ſogenannten Tropheen oder Siegeszeichen des Marius auf dem
Campidoglio, ſcheinen mit dem Baſamente der Saͤule in einerley Stil ge-
arbeitet zu ſeyn, und ſind vermuthlich Siegeszeichen des Trajanus. Ein
neuer Scribent glaubet, daß dieſelben nach der Schlacht bey Actium geſe-
tzet worden ſind, aus keinem andern Grunde, als weil er in der wellen-
foͤrmig ausgefreſſenen Baſe derſelben eine Vorſtellung des Waſſers zu fin-
den vermeynet. Jch kann nicht umhin, einer ſehr ſeltenen Muͤnze in Gold
zu gedenken, welche auf der einen Seite den Kopf der Plotina, des
Trajanus Gemahlinn, hat, und auf der andern Seite den Kopf der
Matidia, des Trajanus Schweſter: es wird dieſelbe mit mehr als hun-
dert Scudi bezahlet, und befindet ſich in dem Muſeo des Collegii St.
Jgnatii zu Rom.
Jn Abſicht der Baukunſt verdienet der Bogen des Trajanus zu An-
cona mit angefuͤhret zu werden: denn man wird an keinem alten Gebaͤude
ſo erſtaunend große Bloͤcke Marmor angebracht finden. Das Baſament
des Bogens bis an den Fuß der Saͤule iſt aus einem einzigen Stuͤcke: in
der Laͤnge haͤlt es ſechs und zwanzig Roͤmiſche Palmen und ein Dritttheil;
die Breite iſt von ſiebzehen und einem halben, und die Hoͤhe von dreyzehen
Palmen. Die Pfeiler der Bruͤcke des Trajanus uͤber die Donau diene-
Endlich nahm ſich Hadrian vor, Griechenland in die ehemalige Frey-
heit zu ſetzen, erklaͤrete es fuͤr ein freyes Land, und fieng nicht allein an,
zu Athen ſo ſtark, als Pericles, ſondern faſt an allen beruͤhmten Orten da-
ſelbſt zu bauen. Er vollendete den Tempel des Olympiſchen Jupiters zu
Athen, nachdem derſelbe an ſiebenhundert Jahre, vom Piſiſtratus an,
gelegen hatte, und es wurde ein Werk, welches viele Stadien im Umkrei-
ſe hatte. Jn demſelben ließ er, wie Pauſanias berichtet, unter andern
Statuen von Golde und Elfenbein, eine ſolche Coloſſaliſche Statue des
Jupiters ſetzen 1) Der Tempel, welchen er zu Cyzikum auffuͤhren ließ,
wurde unter die ſieben Wunder der Welt gezaͤhlet. Eine jede Stadt ließ
dieſem Kaiſer eine Statue in dem Tempel des Olympiſchen Jupiters zu
Athen ſetzen.
Hadrian war nicht allein ein Kenner, ſondern auch ein Kuͤnſtler, und
hat wirklich mit eigener Hand Statuen gearbeitet. Aber Victor giebt
uns ein Lob unverſchaͤmter Schmeichler, wenn er ſaget 2), daß er neben
dem Polycletus und Euphranor ſtehen koͤnnen. Er trat den Parthen
ein großes Land ab, um, wie es ſcheint, zugleich zu dieſen ſeinen großen
Abſichten Ruhe zu haben.
Jm ſechſten Jahre ſeiner Regierung trat er ſeine großen Reiſen faſt in
alle Roͤmiſche Provinzen an, und es finden ſich Muͤnzen von ſiebenzehen
Laͤndern, welche er durchreiſet iſt. Er gieng ſogar nach Arabien und Ae-
gypten, welches Land er, wie er ſelbſt zu ſagen pflegte 1), voͤllig ausſtudi-
ret hatte, und nachdem er vier Jahre vor ſeinem Tode nach Rom zuruͤck
kam, bauete er die erſtaunenden Gebaͤude, ohnweit Tivoli, ſeine Villa,
in welcher er die beruͤhmteſten Gegenden und Gebaͤude von Griechenland
vorſtellen ließ, auch ſogar die Orte, die unter dem Namen der Eliſeiſchen
Felder und deren Eingang bekannt waren 2). Dieſe Villa zierete er aus
mit Werken der Kunſt, die er aus allen Laͤndern mit ſich gefuͤhret hatte.
Der Umkreis der Truͤmmer dieſer Gebaͤude iſt uͤber zehen Jtalieniſche Mei-
len, und es ſtehen unter andern noch verſchiedene runde Tempel, an wel-
chen nur die Vorderſeite fehlet. An einem und dem andern Ende dieſer
Villa waren zwey Theater, aus derer Ueberbleibſel man ſich noch einigen
Begriff machen kann. Unter andern Gebaͤuden ſind die ſogenannten hun-
dert Kammern beruͤhmt und ſehenswuͤrdig, in welchen die Kaiſerliche Gar-
de lag, welches Wohnungen waren, die keine Gemeinſchaft eine mit der
andern hatten, ſondern vermoͤge eines hoͤlzernen Ganges von außen, wel-
cher durch eine Wache konnte beſetzet und geſchloſſen werden. Es ſind zwo
Reihen Gewoͤlber uͤber einander, welche in dem Winkel, welchen ſie ma-
chen, ein rundes Caſtell haben, wo man ſich das Corpo die Guardia vor-
ſtellet. Jn jedem Gewoͤlbe waren, vermoͤge eines breternen Bodens, wel-
cher auf hervorſpringenden Steinen ruhete, die man noch ſieht, zwo Woh-
nungen, und es findet ſich noch in einem derſelben der abgekuͤrzte Name ei-
nes Soldaten mit ſchwarzer Farbe, wie mit einem Finger geſchrieben.
Die Pracht dieſer Gebaͤude war ſo verſchwenderiſch, daß ein großer Teich,
in welchem, wie man glaubet, Gefechte zu Schiffe gehalten werden konnten,
Eins der ſeltenſten Stuͤcke, welche daſelbſt entdecket ſind, iſt eine Mu-
ſaiſche Arbeit, welche eine Schaale voll Waſſer vorſtellet, auf deren Ran-
de vier Tauben ſitzen, von denen die eine trinken will. Es iſt daſſelbe bis-
her fuͤr das allerſchoͤnſte Werk in dieſer Art geſchaͤtzet worden, und es iſt
vielleicht eben daſſelbe Werk, welches ſich zu Plinius Zeiten zu Pergamus
befand, und vom Soſus gemachet war, von da es Hadrian wird wegge-
nommen haben: der Cardinal Furietti, deſſen Beſitzer, hat dieſe Selten-
heit beſonders beſchrieben. Es wurde mitten in dem Boden eines Zim-
mers eingeſetzt gefunden, welcher ebenfalls voͤllig von der allerfeinſten Ar-
beit in dieſer Art war. Von den Binden mit Laubwerk, welche ins ge-
vierte auf demſelben umher liefen, hat der Herr Cardinal Alex. Albani
ein Stuͤck von einem Palm breit, und von vier Palmen lang, in einem
Tiſchblatte von Orientaliſchem Alabaſter einfaſſen laſſen, und von demſel-
ben erhielt Se. Koͤnigl. Hoheit der Churprinz von Sachſen ein aͤhnliches
Tiſchblatt mit einer noch laͤngern von dieſen Binden, von eben der Breite
und von eben der Arbeit. Das vorzuͤglichſte Werk naͤchſt jenem, iſt nach
meiner Einſicht die Sirene Parthenope, auf dem Palatino zu Rom ge-
[fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt].
Waͤre es moͤglich geweſen, die Kunſt zu ihrer vormaligen Herrlichkeitb.
Von der Be-
ſchaffenheit
und dem Sti-
le der Kunſt
ſeiner Zeit.
zu erheben, ſo war Hadrian der Mann, dem es hierzu weder an Kennt-
niß, noch an Bemuͤhung fehlete: aber der Geiſt der Freyheit war aus der
Welt gewichen, und die Quelle zum erhabenen Denken und zum wahren
Ruhme war verſchwunden. Es kann auch als eine Urſache der aufgeklaͤrte
Aberglauben und die Chriſtliche Lehre angegeben werden, welche ſich ei-
gentlich unter dieſem Kaiſer anfieng auszubreiten 1) Die Gelehrſamkeit,
Die Kunſt konnte ſich eben ſo wenig, wie die Wiſſenſchaften, erhe-
ben, und der Stil der Kuͤnſtler dieſer Zeit iſt von dem Alten merklich ver-
ſchieden, wie man ſelbſt damals, nach einigen oben angefuͤhrten Anzeigen
der Scribenten dieſer Zeit, eingeſchen hat. Die Huͤlfe, welche Hadrian
der Kunſt gab, war wie die Speiſen, welche die Aerzte den Kranken ver-
ordnen, die ſie nicht ſterben laſſen, aber ihnen auch keine Nahrung geben.
Eins der groͤßten Werke der Bildhauerey, welche dieſer Kaiſer ma-
chen laſſen, wuͤrde deſſen Statue auf einem Wagen mit vier Pferden gewe-
ſen ſeyn, welche auf der Spitze ſeines Grabmals, itzo Caſtel St. Angelo,
ſoll geſtanden ſeyn, und, wenn dem Scribenten, der es berichtet 3), zu
glauben iſt, ſo groß war, daß ein ſtarker Mann zu den Loͤchern, welche die
Augen an den Pferden macheten, hinein kriechen konnte: man giebt ſogar
vor, dieſes Werk ſey aus einem einzigen Blocke Marmor gearbeitet geweſen.
Es ſcheint aber eine Griechiſche Luͤgen aus der Zeit des Scribenten, welche
zu gleichem Paare geht mit dem Kopfe einer Statue der Juno zu Conſtan-
tinopel, welchen kaum vier Geſpanne Ochſen ziehen koͤnnen 4).
Der ohne Grund ſogenannte Antinous im Belvedere 1), wird ins-c.
Beſchreibung
des faͤlſchlich
ſogenannten
Antinous im
Belvedere.
gemein als das ſchoͤnſte Denkmal der Kunſt unter dem Hadrian angegeben,
aus dem Jrthume, daß es die Statue ſeines Lieblings ſey; es ſtellet die-
ſelbe vielmehr einen Meleager, oder einen andern jungen Held, vor. Sie
wird unter die Statuen der erſten Claſſe geſetzet, wie ſie es verdienet, mehr
wegen der Schoͤnheit einzelner Theile, als wegen der Vollkommenheit des
Ganzen: denn die Beine und Fuͤße, nebſt dem Unterleibe, ſind weit ge-
ringer in der Form und in der Arbeit, als das uͤbrige der Figur. Der
Kopf iſt unſtreitig einer der ſchoͤnſten jugendlichen Koͤpfe aus dem Alter-
thume. Jn dem Geſichte des Apollo herrſchet die Majeſtaͤt und der Stolz;
hier aber iſt ein Bild der Gratie holder Jugend, und der Schoͤnheit bluͤ-
hender Jahre, mit gefaͤlliger Unſchuld und ſanfter Reizung geſellet, ohne
Andeutung irgend einer Leidenſchaft, welche die Uebereinſtimmung der
Theile und die jugendliche Stille der Seele, die ſich hier bildet, ſtoͤren
koͤnnte. Jn dieſer Ruhe, und gleichſam in dem Genuße ſeiner ſelbſt, mit
geſammelten und von allen aͤußern Vorwuͤrfen zuruͤckgerufenen Sinnen, iſt
der ganze Stand dieſer edlen Figur geſetzet. Das Auge, welches, wie an
der Goͤttinn der Liebe, aber ohne Begierde, maͤßig gewoͤlbet iſt, redet mit
einnehmender Unſchuld; der voͤllige Mund im kleinen Umfange haͤufet Re-
gungen, ohne ſie zu fuͤhlen zu ſcheinen: die mit lieblicher Fuͤlle genaͤhrte
Wangen beſchreiben, mit der gewoͤlbten Rundung des ſanft erhobenen
Kinnes, den voͤlligen und edlen Umriß des Haupts dieſes edlen Juͤnglings.
Jn der Stirn aber zeiget ſich ſchon mehr, als der Juͤngling; ſie kuͤndiget
den Held an in der erhabenen Pracht, mit welcher ſie anwaͤchſt, wie die
Stirn des Hercules. Die Bruſt iſt maͤchtig erhaben, und die Schultern,
Seiten und Huͤften ſind wunderbar ſchoͤn. Aber die Beine haben nicht die
ſchoͤne Form, die ein ſolcher Koͤrper erfordert; die Fuͤße ſind grob gearbeitet,
Jch finde hier noch anzumerken, daß die großen Kaiſerlichen Medail-
lons in Erzt, welche aͤcht ſind, allererſt unter dem Hadrian anfangen.
Dieſes vorausgeſetzt, ſind alle diejenigen, welche ſich in dem Kaiſerlichen
Muſeo zu Wien befinden, fuͤr untergeſchoben zu erklaͤren. Einer der
ſchoͤnſten daſelbſt von gedachtem Kaiſer iſt inwendig hohl, und ein Maul-
eſeltreiber bey Rom hatte dieſes ſeltene Stuͤck viel Jahre, anſtatt einer
Schelle, an ſeinem Thiere haͤngen.
Die Antoniner ſchaͤtzten die Kuͤnſte, und Marcus Aurelius verſtandK.
Unter den
Antoninern.
a.
Allgemeine
Betrachtung
uͤber die Kunſt.
die Zeichnung, in welcher ihn Diognetus, ein weiſer Mann, unterrich-
tete 1); dieſer war zugleich ſein Lehrer in der Weltweisheit; aber die gu-
ten Kuͤnſtler fiengen an ſelten zu werden, und die vormalige allgemeine Ach-
tung fuͤr dieſelben verlohr ſich, wie man aus den Begriffen dieſer Zeit
ſchließen kann. Die Sophiſten, welche itzo gleichſam auf den Thron er-
hoben wurden, und denen die Antoniner oͤffentliche Lehrſtuͤhle bauen, und
ein großes Gehalt auf ihre Lunge und Stimmen zahlen ließen 2), Men-
ſchen ohne eigene Vernunft und Geſchmack 3), ſchrien wider alles, was
nicht gelehrt war, und ein geſchickter Kuͤnſtler war in ihren Augen wie ein
Handwerker. Jhr Urtheil von der Kunſt iſt dasjenige, welches Lucianus
der Gelehrſamkeit in ſeinem Traume in den Mund leget; ja es wurde an
jungen Leuten als eine Niedertraͤchtigkeit ausgeleget, nur zu wuͤnſchen ein
Phidias zu werden. Daher es faſt zu verwundern iſt, daß Arrianus,
ein Scribent dieſer Zeit, es fuͤr ein Ungluͤck haͤlt, den Jupiter des Phidias
nicht geſehen zu haben 4).
Die Zeit der Antoniner iſt in der Kunſt, wie die ſcheinbare Beſſerung
gefaͤhrlicher Kranken kurz vor ihrem Ende, in welchen das Leben bis auf
einen duͤnnen Faden des Hauchs gebracht, dem Lichte einer Lampe aͤhnlich
iſt, welches, ehe es gaͤnzlich verloͤſchet, alle Nahrung ſammelt, in eine
helle Flamme auffaͤhrt, und ploͤtzlich verloͤſchet. Es lebeten noch die Kuͤnſt-
ler, welche ſich unter dem Hadrian gebildet hatten, und die großen Wer-
ke, noch mehr aber der uͤbrige gute Geſchmack und die Einſicht beſagter
Kaiſer und ihres Hofes, gaben ihnen Gelegenheit, ſich zu zeigen; aber
nach ihrer Zeit fiel die Kunſt mit einmal. Antoninus Pius bauete ſeine
praͤchtige Villa bey Lavinium, deren Truͤmmer von ihrer Groͤße zeigen.
Eins der ſchoͤnſten Werke dieſer Zeit, iſt ein Coloſſaliſcher Kopf von
Marmor, wie es ſcheint der juͤngern Fauſtina; ich ſage, wie es ſcheint:
denn die Aehnlichkeit, ſonderlich Jugendlicher und Weiblicher Koͤpfe, wird
etwas unkenntlich in Coloſſaliſchen Koͤpfen; von dem Kinne an, bis an
die Haare auf der Stirne, haͤlt derſelbe zwo Spannen. Dieſer Kopf
war, wie man ſieht, nach der von mir angezeigten Art, in deſſen Statue
eingefuͤget. Es muß dieſelbe von Erzt, oder von Marmor, geweſen ſeyn:
denn einer von den Fuͤßen, welcher ſich erhalten hat, war ebenfalls einge-
fuͤget; ſo daß die aͤußern Theile von Marmor waren; auch von den Ar-
men ſind Stuͤcke uͤbrig. Dieſer ſchoͤne Kopf, welcher nichts im geringſten
gelitten hat, wurde zu Porcigliano, ohnweit von Oſtia, wie man glaubet,
Man ſieht, daß man damals anfieng ſich mehr, als vorher, auf Por-c.
Von andern
Bruſtbildern
dieſer Kaiſer.
traits zu legen, und Koͤpfe anſtatt Figuren zu machen, welches durch wie-
derholte Befehle des Raths zu Rom, daß jedermann dieſes oder jenes Kai-
ſers Bildniß im Hauſe haben ſollte 1), befoͤrdert wurde. Es finden ſich
einige etwa von dieſer Zeit, welche Wunder der Kunſt in Abſicht der Aus-
arbeitung koͤnnen genennet werden. Drey außerordentlich ſchoͤne Bruſt-
bilder des Lucius Verus, und eben ſo viel vom Marcus Aurelius, ſonder-
lich aber eins von jeden, groͤßer als die Natur, in der Villa Borgheſe,
wurden vor dreyßig Jahren, mit großen Ziegeln bedeckt, vier Milien von
Rom, auf der Straße nach Florenz, an einem Orte, welcher Acqua
Traverſa heißt, gefunden.
Die Statue des Marcus Aurelius zu Pferde iſt zu bekannt, als daßd.
Von des Mar-
cus Aurelius
Statue zu
Pferde von
Erzt.
ich viel davon rede. Laͤcherlich iſt, was man unter dem Kupfer einer Fi-
gur zu Pferde in der Gallerie des Grafen Pembroke, zu Wilton in Enge-
land, geſetzet hat 2): „die erſte Statue des Marcus Aurelius zu Pferde,
„welche verurſachete, daß der Meiſter derſelben gebrauchet wurde, die große
„Statue dieſes Kaiſers, an welcher das Pferd von dem unſrigen verſchie-
„den iſt, zu machen.“ Die Unterſchrift eines halb bekleideten Hermes
Die Statue des Rhetors Ariſtides in der Vaticaniſchen Bibliothek
iſt aus der Zeit, von welcher wir reden, und unter den ſitzenden bekleideten
Figuren nicht die ſchlechteſte. Nach der Beſchreibung einer bewafneten
Venus, welche der beruͤhmte Redner Herodes, mit dem Zunamen Atti-
Damals wurden auch denen, die im Circo in den Wettlaͤufen auf
Wagens den Preis erhielten, Statuen aufgerichtet 1), von welchen man
ſich einen Begriff machen kann aus einigen Stuͤcken Muſaiſcher Arbeit im
Hauſe Maſſimi mit dem Namen der Perſonen, noch deutlicher aber von ei-
nem ſolchen Sieger, faſt in Lebensgroͤße, auf einem Wagen mit vier
Pferden, in erhobener Arbeit, von einer großen Ovalen Begraͤbnißurne
in der Villa Albani, und ſonderlich aus einer wirklichen Statue in der
Villa Negroni. Aus dieſer Figur iſt in der Ergaͤnzung derſelben ein
Gaͤrtner gemachet worden, wegen eines krummen Meſſers im Guͤrtel, auf
eben die Art, wie an jener Urne, und es iſt ihr daher eine Hacke in die
Hand gegeben worden. Dieſe Perſonen waren mehrentheils vom Poͤbel,
deren Bruſt bis an den Unterleib mit einem Guͤrtel vielmehr umwunden
und geſchnuͤret war. Lucius Verus ließ ſogar das Bildniß ſeines Pfer-
des, Volucris genannt, von Golde im Circo ſetzen. Bey den Werken
unter dem Marcus Aurelius gemacht, faͤllt mir mehrentheils dieſes Prin-
zen eigene Schrift ein, in welcher, außer einer geſunden Moral, die Ge-
danken ſowohl, als die Schreibart, gemein, und eines Prinzen, welcher
ſich mit Schreiben abgiebt, nicht wuͤrdig genug ſind.
Unter und nach dem Commodus, dem Sohne und Nachfolger des
Marcus Aurelius, gieng die letzte Schule der Kunſt, die gleichſam vom
Hadrian geſtiftet war, und die Kunſt ſelbſt, ſo zu reden, zu Grunde.
Derjenige Kuͤnſtler, von deſſen Hand der wunderſchoͤne Kopf dieſes Kai-
ſers in ſeiner Jugend, im Campidoglio iſt, macht der Kunſt Ehre; es
ſcheint derſelbe etwa um eben die Zeit, in welcher Commodus den Thron
beſtieg, das iſt im neunzehenden Jahre ſeines Alters, gemacht zu ſeyn:
der Kopf aber kann zum Beweiſe dienen, daß dieſer Kuͤnſtler nicht viel ſei-
nes gleichen gehabt: denn alle Koͤpfe der folgenden Kaiſer ſind jenem nicht
Des Commodus Andenken beſchloß der Senat zu Rom zu vertilgen,
und dieſes gieng vornehmlich auf deſſen Bildniſſe; dieſes fand ſich an vie-
len Bruſtbildern und Koͤpfen deſſelben, die der Herr Cardinal Alex. Al-
bani entdeckete, da er den Grund zu ſeinem praͤchtigen Luſthauſe zu Net-
tuno am Meere graben ließ. Von allen Koͤpfen iſt das Geſicht mit dem
Meißel abgeſchlagen, und man erkennet dieſelben nur an einigen andern
Zeichen, ſo wie man auf einem zerbrochenen Steine den Kopf des Anti-
nous an dem Kinne und Munde erkennet. Jn der Villa Altieri iſt ein
Kopf eben dieſes jungen Menſchen, nach Anzeige des Mundes, welcher nur
allein von demſelben erhalten war, als ein Antinous ergaͤnzet.
Es iſt kein Wunder, daß die Kunſt anfieng, ſich merklich gegen ih-
ren Fall zu neigen, wenn man bedenket, daß auch die Schulen der Sophi-
ſten in Griechenland mit dem Commodus aufhoͤreten 1) Ja den Grie-
chen wurde ſogar ihre eigene Sprache unbekannt: denn es waren wenige
unter ihnen, die ihre beſten Schriften mit dem wahren Verſtaͤndniſſe der-
ſelben leſen konnten, und wir wiſſen, daß Oppianus in ſeinen Gedichten
durch die Nachahmung des Homerus, und durch deſſen Ausdruͤcke und
Worte, deren er ſich bedienet, ſo wie Homerus ſelbſt, den Griechen dun-
kel war 2). Daher hatten die Griechen Woͤrterbuͤcher in ihrer eigenen
Sprache noͤthig, und Phynichus ſuchte die Athenienſer zu lehren, wie
ihre Voraͤltern geredet hatten: aber von vielen Worten war keine beſtimm-
te Bedeutung mehr zu geben, und ihre Herleitung wurde durch verlohrne
Stammwoͤrter auf Muthmaßungen gegruͤndet.
Wie ſehr die Kunſt nach dem Commodus gefallen, beweiſen die oͤf-
fentlichen Werke, welche Septimius Severus einige Zeit nachher auffuͤh-
ren ließ. Er folgete dem Commodus ein Jahr nachher in der Regierung,
nachdem Pertinax, Didius Julianus, Clodius Albinus und Peſcennius
Niger in kurzer Zeit regieret hatten, und ermordet worden. Die Athe-
nienſer ließ Severus ſogleich ſeinen Zorn empfinden, wegen einer Beleidi-
gung, welche ihm auf einer Reiſe nach Syrien zu Athen in voriger Zeit
widerfahren war: er nahm der Stadt alle ihre Vorrechte und Freyhei-
ten, die ihr von den vorigen Kaiſern ertheilet waren 3). Die erhobenen
Arbeiten an ſeinem Bogen, und an einem andern Bogen, welchen die
Silberſchmiede ihm zu Ehren auffuͤhren laſſen, ſind ſo ſchlecht, daß es er-
ſtaunend ſcheint, wie die Kunſt in zwoͤlf Jahren, ſeit dem Tode des
Jn Betrachtung gedachter Arbeiten ſollte man kaum glauben, daß
ſich noch ein Kuͤnſtler gefunden, welcher des Severus Statue von Erzt 2)
in dem Pallaſte Barberini machen koͤnnen, ob ſie gleich nicht fuͤr ſchoͤn
kann gehalten werden. Die vermeynte Statue des Peſcennius Niger 3),
im Pallaſte Altieri, welcher ſich wider vorgedachten Kaiſer aufwarf, und
von ihm geſchlagen wurde, waͤre noch weit ſeltener, als jene, und als alle
deſſen Muͤnzen, wenn dieſelbe dieſen Kaiſer vorſtellen koͤnnte; der Kopf
aber iſt dem Septimius Severus aͤhnlicher. Die einzige Statue des Ma-
crinus, welcher dem Caracalla folgete, befindet ſich in dem Weinber-
ge Borioni.
Von den Zeiten des Heliogabalus wird eine Weibliche Statue in Le-B.
Unter dem
Heliogabalus.
bensgroͤße in der Villa Albani gehalten. Es ſtellet dieſelbe eine betagte
Frau vor, mit einem ſo Maͤnnlichen Geſichte, daß nur die Kleidung das
Geſchlecht derſelben anzeiget: die Haare ſind ganz ſchlecht uͤber den Kopf
gekaͤmmet, und hinterwerts hinauf genommen und untergeſtecket. Jn
der linken Hand haͤlt dieſelbe eine gerollete Schrift, welches an Weibli-
chen Figuren etwas außerordentliches iſt, und man glaubet daher, daß
es die Mutter beſagten Kaiſers ſeyn koͤnne, welche im geheimen Rathe
Alexander Severus, welcher dem Heliogabalus folgete, ließ die
Statuen vieler beruͤhmten Maͤnner von allen Orten zuſammen holen, und
auf dem Foro des Kaiſers Trajanus ſetzen. Von deſſen Zeit iſt die ſitzende
Statue des H. Hippolytus in Lebensgroͤße, in der Vaticaniſchen Biblio-
thek 2), welches ohne Zweifel die aͤlteſte Chriſtliche Figur in Stein iſt:
denn damals fiengen die Chriſten an mehr Anſehen, als vorher, zu gewin-
nen, und gedachter Kaiſer erlaubete ihnen den oͤffentlichen Gottesdienſt an
dem Orte, wo itzo St. Maria in Traſtevere iſt 3). Dieſe Statue iſt in
Vergleichung mit der Arbeit an dem Bogen des Septimius Severus uͤber
den Begriff dieſer Zeit: eben dieſes gilt von der großen Begraͤbnißurne des
Alexander Severus, und der Julia Mammaͤa, welche liegend in Lebens-
groͤße auf dem Deckel derſelben gearbeitet ſind 4). Der Kuͤnſtler derſelben
muß einer von denjenigen ſeyn, welche durch Nachahmung der Alten aus
dem Verderbniſſe ihrer Zeit das Haupt erhoben.
Von einem ſolchen Kuͤnſtler iſt die Statue Kaiſers Pupienus, welche
im Pallaſte Veroſpi ſtand, und vor kurzer Zeit verkauft worden. Es iſt
dieſelbe zehen Palme hoch, und ohne alle Beſchaͤdigung erhalten, bis auf
den rechten Arm, welcher bis an den Ellenbogen mangelt: es hat dieſelbe
ſogar die feine lettigte Rinde behalten, mit welcher die Werke der Alten
unter der Erde uͤberzogen werden. Mit der linken Hand haͤlt die Figur
das Parazonium gefaſſet, und an dem Stamme, woran das rechte
Bein zur Befeſtigung ſteht, iſt ein großes Horn des Ueberfluſſes ſtehend
Die eigentliche beſtimmte Zeit, in welcher der gaͤnzliche Fall derE.
Gaͤnzlicher
Verfall der
Kunſt unter
dem Gallie-
nus.
Kunſt erfolgete, war vor dem Conſtantin, zur Zeit der großen Verwir-
rung durch die dreyßig Tyrannen, welche ſich unter dem Gallienus auf-
warfen, das iſt, zu Anfang der letzten Haͤlfte des dritten Jahrhunderts.
Die Muͤnzverſtaͤndigen bemerken, daß nach dem Gallienus in Griechen-
land nicht einmal mehr Muͤnzen gepraͤget worden; je ſchlechter aber die
Muͤnzen dieſer Zeit an Gehalt und Gepraͤge ſind, deſto oͤfter findet ſich
die Goͤttinn Moneta auf denſelben; ſo wie die Ehre ein haͤufiges Wort
in dem Munde einer Perſon iſt, an deren Ehre man zu zweifeln hat. Der
Kopf des Gallienus von Erzt mit einem Lorbeerkranze, in der Villa Mat-
tei, iſt wegen der Seltenheit zu ſchaͤtzen.
Es findet ſich Nachricht von einer Statue der Calpurnia, der Gemah-
linn des Titus, welcher einer von gedachten Afterkaiſern oder Tyran-
nen war; es wird dieſelbe aber ſo ſchlecht geweſen ſeyn, daß ein dunke-
les Wort, deſſen Erklaͤrung den Gelehrten viel Muͤhe machet 3), kei-
Wie es hernach unter Conſtantin dem Großen mit der Kunſt ausge-
ſehen, zeigen deſſen Statuen, eine unter dem Portale der Kirche zu St.
Johann Lateran, zwo andere auf dem Campidoglio, und einige erhobene
Arbeiten an deſſen Bogen, an welchem alles, was gut iſt, von einem Bo-
gen Kaiſers Trajanus genommen worden. Es iſt alſo kaum glaublich,
daß das alte Gemaͤlde der Goͤttinn Roma im Pallaſte Barberini zu Con-
ſtantins Zeiten gemachet worden. Es findet ſich Nachricht von andern
entdeckten Gemaͤlden, welche Hafens und Ausſichten auf das Meer vor-
ſtellen, die, nach der Unterſchrift derſelben, aus dieſer Zeit moͤchten gewe-
ſen ſeyn 1); ſie ſind aber nicht mehr vorhanden: die Zeichnungen mit Far-
ben ausgefuͤhret, finden ſich in der Bibliothek des Herrn Cardinals Alex.
Albani. Aber die Gemaͤlde in dem einen und aͤlteſten Vaticaniſchen Vir-
gilio, ſind nicht zu gut fuͤr Conſtantins Zeiten, wie jemand meynet 2),
welcher, da er geſchrieben, nicht das friſche Gedaͤchtniß davon gehabt,
und nach Kupfern des Bartoli, welcher alles Mittelmaͤßige wie von gu-
ter Zeit ſcheinen gemacht, geurtheilet hat. Es hat derſelbe nicht gewußt,
daß man aus einer ſchriftlichen Nachricht von gleichem Alter in dieſem Bu-
che beweiſen kann, daß dieſe Abſchrift zu Conſtantinus Zeiten gemachet
worden 3). Von eben der Zeit ſcheint der alte gemalte Terentius in dieſer
Man erinnere ſich, daß, wenn ich von dem Falle der Kunſt im Alter-G.
Erinnerung
uͤber die Bau-
kunſt dieſer
Zeit.
thume rede, dieſes vornehmlich von der Bildhauerey und Malerey zu ver-
ſtehen iſt: denn da dieſe abnahmen, und ſich ihrem Untergange naͤherten,
bluͤhete die Baukunſt in gewiſſer Maaße, und es wurden Werke in Rom
aufgefuͤhret, dergleichen an Groͤße und Pracht Griechenland in ſeinen be-
ſten Zeiten nicht geſehen, und da es wenige Kuͤnſtler gab, die eine ertraͤg-
liche Figur zeichnen konnten, bauete Caracalla die erſtaunenden Baͤder,
deren Truͤmmer ſelbſt noch wunderbar ſcheinen. Diocletianus fuͤhrete
ſeine Baͤder auf, in welchen er jene noch zu uͤbertreffen ſuchte, und man
muß geſtehen, daß dasjenige, was ſich von denſelben erhalten hat, uns
mit Erſtaunen erfuͤllen kann. Die Gebaͤlke der Saͤulen aber werden un-
ter dem gehaͤuften Schnitzwerke, wie die Zuſchauer in den Schauſpielen
dieſes Kaiſers unter einer Ueberſchwemmung von Blumen, welche man
auf ſie werfen ließ, erſticket. Eine jede Seite von ſeinem Pallaſte zu
Spalatro in Jllyrien iſt ſiebenhundert und fuͤnf Engliſche Fuß lang, nach
der neueſten Ausmeſſung Herrn Adams. Dieſes erſtaunende Gebaͤude
hatte vier Hauptgaſſen, von fuͤnf und dreyßig Fuß breit, und die Gaſſe
von dem Eingange bis zu dem Platz in der Mitten, iſt zweyhundert und
ſechs und vierzig Fuß lang; die Gaſſe, welche dieſe durchſchneidet, iſt
vierhundert und vier und zwanzig Fuß lang. Auf beyden Seiten dieſer
Gaſſen waren bedeckte Bogen von zwoͤlf Fuß breit, und einige von den-
ſelben ſind noch ganz erhalten. Nicht lange vorher ſind die großen Pal-
laͤſte und Tempel zu Palmyra aufgefuͤhret, die an Pracht alle uͤbrig geblie-
Conſtantin der Große ſuchete, nach beſtaͤtigtem Frieden im Reiche,
den Wiſſenſchaften aufzuhelfen, und in Athen, wo die Lehrer der Rede-
kunſt ihre Schulen von neuem mit großem Zulaufe oͤfneten, wurde der
Sammelplatz der Studirenden, die aus dem ganzen Reiche dahin gien-
gen 4). Haͤtte die Welt durch Ausrottung der Abgoͤtterey nicht eine an-
dere Geſtalt bekommen, ſo ſieht man an vier großen Kirchenvaͤtern, dem
H. Gregorius Nazianzenus und Nyſſenus, dem H. Baſilius und Johann
Chryſoſtomus, daß es der Griechiſchen Nation auch nach dem Conſtantin
nicht an außerordentlichen Talenten, auch in Cappadocien, gefehlet.
Von der Kunſt findet ſich nach Conſtantins Zeiten weiter nicht viel
Nachricht; es iſt hingegen zu vermuthen, daß, da man bald nachher in
Conſtantinopel anfieng, die Statuen der Goͤtter zu zerſchlagen, die Wer-
ke der Kunſt in Griechenland ein gleiches Schickſal werden gehabt ha-
ben. Jn Rom wurde, dieſen Unfug zu verhindern, ein Aufſeher uͤber
die Statuen beſtellet, welcher Centurio nitentium rerum hieß, und uͤber
Soldaten geſetzet war, die des Nachts umher gehen und Achtung geben
Athen war, wie Syneſius berichtet 6), etliche ſechzig Jahre, nach-
dem Byzanz der Sitz des Roͤmiſchen Reichs geworden war, aller ſeiner
Herrlichkeit beraubet, und es war nichts merkwuͤrdiges mehr daſelbſt,
Man giebt eine faſt Coloſſaliſche Statue in der Villa Giuſtiniani in
vielen Buͤchern fuͤr eine Statue Kaiſers Juſtinianus an, und das Haus
Giuſtiniani, welches ſich von dieſem Kaiſer herſchreibt, hat dieſes Vorge-
ben in einer Jnſchrift, die vor wenig Jahren geſetzt worden iſt, von neuem
zu behaupten geſuchet; aber ohne den allergeringſten Grund. Die Sta-
tue, welche mittelmaͤßig iſt, wuͤrde als ein Wunder der Kunſt aus dieſer
Zeit muͤſſen angeſehen werden, und der Kopf iſt neu, und nach einem jun-
gen Marcus Aurelius gemachet.
Eine ſitzende Statue unter Lebensgroͤße, in der Villa Borgheſe,
welche man irrig fuͤr einen bettelnden Beliſarius haͤlt, hat zu dieſem Na-
men durch die rechte Hand, welche auf dem Knie liegt, Gelegenheit ge-
geben. Es iſt dieſelbe hohl, gleichſam etwas in derſelben zu empfangen,
und hierinnen kann eine geheime Bedeutung liegen. Wir wiſſen, daß
Auguſtus alle Jahre einen Tag den Bettler machte, und eine hohle Hand,
(Cavam manum) hinreichete, um ein Allmoſen zu empfangen. Dieſes
geſchah zur Verſoͤhnung der Nemeſis 1), welche die Hohen in der Welt,
wie man glaubte, erniedrigte. Aus eben dieſer Urſache wurden an dem
Triumphwagen die Geißel und die Schellen, mit welchen Nemeſis vorge-
ſtellet wird, (wie an einer ſchoͤnen ſitzenden Statue derſelben in den Vati-
caniſchen Gaͤrten zu ſehen iſt,) angehaͤnget, um die Sieger zu erinnern,
daß ihre Herrlichkeit vergaͤnglich ſey, und daß die Rache der Goͤtter,
in Ueberhebung in ihrem Gluͤcke, uͤber ſie kommen koͤnne. Es wird
alſo jener Statue, in beſagter Betrachtung, die Hand wie zum Allmo-
ſen offen gemachet ſeyn.
Was man ſich von der Statue des Juſtinianus zu Pferde 2), und
ſeiner Gemahlinn Theodora 3), beyden von Erzt, ehemals zu Conſtanti-
Endlich kam der Griechiſche Kaiſer Conſtantinus, ein Enkel KaiſersL.
Letztes Schick-
ſal der Sta-
tuen in Rom,
Heraclius, im Jahre 663. nach Rom, und fuͤhrete, nach einem Auf-
enthalt von zwoͤlf Tagen, alle uͤbrig gebliebenen Werke von Erzt,
ſogar die Ziegel von Erzt, womit das Pantheon gedecket war, mit
ſich hinweg nach Syracus in Sicilien, und dieſer Schatz kam bald
nach deſſen Tode in der Saracenen Haͤnde, die alles nach Alexan-
drien fuͤhreten 2).
Jn Conſtantinopel, und daſelbſt allein, waren einige Werke derM.
und in Con-
ſtantinopel.
Kunſt, nach ihrer allgemeinen Vernichtung in Griechenland und Rom,
noch verſchont geblieben. Denn was ſich noch in Griechenland erhalten
hatte, war dahin gefuͤhret, auch ſo gar die Statue des Eſeltreibers mit
ſeinem Eſel von Erzt 3), welche Auguſtus zu Neapolis, nach der Schlacht
wider den Antonius und die Cleopatra, ſetzen ließ. Jn Conſtantinopel
ſtand noch bis in das eilfte Jahrhundert die Pallas aus der Jnſel Lin-
dus 4), von Scyllis und Dipoenus, Bildhauern vor Cyrus Zeiten: es
war um dieſe Zeit daſelbſt das Wunder der Kunſt, der Olympiſche Ju-
piter des Phidias, die ſchoͤnſte Venus aus Cnidus von der Hand des
Praxiteles, die Statue der Gelegenheit des Lyſippus, und eine Juno
Jch bin in der Geſchichte der Kunſt ſchon uͤber ihre Graͤnzen gegan-
gen, und ohngeachtet mir bey Betrachtung des Untergangs derſelben faſt
zu Muthe geweſen iſt, wie demjenigen, der in Beſchreibung der Geſchich-
te ſeines Vaterlandes die Zerſtoͤrung deſſelben, die er ſelbſt erlebet hat,
beruͤhren muͤßte, ſo konnte ich mich dennoch nicht enthalten, dem Schick-
ſale der Werke der Kunſt, ſo weit mein Auge gieng, nachzuſehen. So
wie eine Liebſte an dem Ufer des Meeres ihren abfahrenden Liebhaber, oh-
ne Hofnung ihn wieder zu ſehen, mit bethraͤnten Augen verfolget, und
ſelbſt in dem entfernten Segel das Bild des Geliebten zu ſehen glaubt.
Wir haben, wie die Geliebte, gleichſam nur einen Schattenriß von dem
Vorwurfe unſrer Wuͤnſche uͤbrig; aber deſto groͤßere Sehnſucht nach dem
Verlohrnen erwecket derſelbe, und wir betrachten die Copien der Urbil-
der mit groͤßerer Aufmerkſamkeit, als wie wir in dem voͤlligen Beſitze von
dieſen nicht wuͤrden gethan haben. Es geht uns hier vielmals, wie Leu-
ten, die Geſpenſter kennen wollen, und zu ſehen glauben, wo nichts iſt:
der Name des Alterthums iſt zum Vorurtheil geworden; aber auch dieſes
Die in ( ) eingeſchloßnen Ziffern bedeuten die in dieſem Werke ange-
zeigte Seite.
Leipzig,
Aus der Breitkopfiſchen Buchdruckerey.